Mineralöl in Lebensmitteln
Wie kommt Mineralöl in Lebensmittel und wie gefährlich ist es? Ein umstrittenes Thema, das Verpackungswirtschaft, Politik und Gesellschaft gleichermaßen interessiert.
Bald beginnt sie wieder – die Adventskalenderzeit. Und hoffentlich in diesem Jahr ohne Mineralöldiskussion. Leider werden immer öfter unerwünschte Stoffe in unseren Lebensmitteln gefunden. Und es ist erst ein halbes Jahr her, als Mineralöl in Nuss-Nougat-Cremes entdeckt wurde und für einen Aufschrei in der Öffentlichkeit sorgte. Das Magazin Öko-Test untersuchte Nuss-Nougat-Cremes auf Bestandteile, die dort nichts verloren haben und nur zwei wurden als unbedenklich angesehen, Nutella war übrigens nicht darunter. Einige Hersteller nahmen schließlich zu den Vorwürfen Stellung und rechtfertigten sich, ihre Produkte seien nach „geltendem Recht uneingeschränkt verkehrsfähig und gesundheitlich unbedenklich“. Und trotz der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse haben sie damit recht. Denn es gibt nach wie vor keine gesetzlichen Höchstwerte für Mineral Oil Saturated Hydrocarbons (MOSH), Polyolefinic Oligomeric Saturated Hydrocarbons (POSH) und Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons (MOAH).
Wie gefährlich sind Mineralölbestandteile wirklich?
Mittlerweile wurden in diversen Testreihen Ratten mit extrem hohen Dosen Mineralöl gefüttert und später gemessen, wie viel davon und welche Substanzen sich in ihren Organen anreichern. Gleichzeitig hat man Mineralölrückstände in menschlichen Organen untersucht. Das Ergebnis ist alarmierend und wurde Ende 2016 von der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA zwar veröffentlicht, ist aber faktisch unbekannt. Die Konzentrationen, die sich über Jahre bei uns Menschen ansammeln, sind demnach erheblich höher als erwartet. Bis zu 13 Gramm Mineralöl können sich im Laufe unseres Lebens im Körper anreichern. Wie sich die einzelnen Fraktionen jedoch auswirken, darüber gibt es in der Wissenschaft nach wie vor Uneinigkeit. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist daher immer noch der Auffassung, dass der Übergang von Mineralölen auf Lebensmittel dringend minimiert werden sollte. Für die besonders gefährlichen, potenziell krebserregenden und erbgutverändernden aromatischen Kohlenwasserstoffe MOAH heißt es beim BfR sogar, dass kein nachweisbarer Übergang auf Lebensmittel stattfinden sollte.
Was macht die Politik?
Eine eigene Mineralölverordnung wurde bis heute nicht umgesetzt. Rein auf den deutschen Markt bezogen wollte der Gesetzgeber sehr restriktive Anforderungen an die Beschaffenheit von Lebensmittelpackstoffen auf Recyclingpapierbasis stellen. Vertreter der gesamten Wertschöpfungskette zeigten sich besorgt über die einseitige Vorgehensweise der Bundesregierung. So auch der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. Der Lebensmittelverkehr sei heute mehr denn je europäisch organisiert, das heißt, es würden von nationalen Standorten Märkte in der gesamten Gemeinschaft versorgt, weshalb ein europaweit einheitliches Regelwerk zwingend erforderlich sei. Nationale Vorschriften stünden grundsätzlich im Widerspruch zu den politisch vereinbarten Grundsätzen eines einheitlichen Verbraucherschutzniveaus und zur Praxis eines Binnenmarktes. Dennoch sollen einzelne Punkte in die Bedarfsgegenständeverordnung aufgenommen werden. Ein Entwurf zur Änderung liegt längst vor, wird aber immer noch in den unterschiedlichen Gremien diskutiert. Maßnahmen könnten in die Richtung gehen, dass Hersteller künftig Lebensmittel in Innenbeutel verpacken oder die Innenseite von Recyclingkartons so beschichten müssen, dass Mineralölrückstände nicht aus der Verpackung in die Lebensmittel übergehen können.
Reicht die Bedarfsgegenständverordnung aus?
Ob der Entwurf der 22. Verordnung zur Änderung der Bedarfsgegenständeverordnung jedoch diese Komplexität ausreichend abbildet und deshalb halten kann, was sich der Gesetzgeber davon verspricht, bezweifeln Experten wie Rüdiger Helling vom Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz des Freistaats Sachsen. Es sei nicht mehr zeitgemäß, die deutschen Vorschriften nur auf den Kontakt von Lebensmitteln mit Recyclingkarton zu beschränken, meinte Helling auf einer Fresenius-Konferenz zum Thema. Unterstützt wird er von Konrad Grob vom Kantonalen Labor in Zürich. Dort war 1989 erstmals die Verunreinigung von Haselnüssen mit Mineralölrückständen aufgefallen. Die durch die öffentliche Skandalisierung angestoßene Diskussion um Recyclingkartons führe in die falsche Richtung. Zu einseitig werde über die Belastung mit Mineralöl diskutiert. Gefordert sei aber eine umfassende Analyse aller von Recyclingkarton auf Lebensmittel übergehenden Stoffe. Helling meinte, es sei quasi unmöglich, einzelne Stoffe komplett zu eliminieren. Erfolgversprechender sei eine Minimierungsstrategie.
Mit den von der Europäischen Kommission für die Jahre 2017 und 2018 in allen Mitgliedstaaten initiierten Kontrolle von Mineralölen und deren Verpackungsmaterialien soll die Basis für die notwendige Regelung auf EU-Ebene erarbeitet werden. Auch das von der EFSA zurzeit durchgeführte Projekt zur gesundheitlichen Beurteilung von aliphatischen Kohlenwasserstoffen dient zur Vorbereitung einer europäischen Regelung mit Grenzwerten. Die letzten Ergebnisse sollten bis 28. Februar 2019 von den Mitgliedstaaten übermittelt werden. Erst dann wird es eine bindende Regelung zur Mineralölproblematik geben.