Auf der Suche nach dem „Verpackungskompromiss“

Welche Herausforderungen Kochboxen-Versender bei Verpackungskonzepten zu bewältigen haben, erklärt Thomas Regenhardt, Head of Packaging bei HelloFresh. Außerdem erläutert er, wie das stark wachsende Unternehmen den Spagat zwischen Verpackungsfunktionen und Nachhaltigkeit meistert.

HelloFresh wächst äußerst dynamisch, also nimmt auch die Zahl der benötigten Verpackungen stark zu. Wie dämpfen Sie die ökologischen Folgen Ihres Absatzerfolgs?

Allein im 3. Quartal 2020 wurden über 10 Millionen Boxen mehr ausgeliefert als im Vergleichszeitraum 2019, ein Plus von 114 Prozent. Gerade deshalb suchen wir stetig nach innovativen und nachhaltigen Wegen, um überflüssiges Verpackungsmaterial zu vermeiden. Derzeit arbeiten wir zum Beispiel intensiv an der europaweiten Umstellung auf recycelbare Papierverpackungen für Trockenwaren wie Reis, Quinoa und Nüsse. Die Planungen dafür liefen schon länger, nun haben wir die Umsetzung abgeschlossen. Schon bald werden unsere Kunden die neuen Verpackungslösungen in ihren Kochboxen sehen.

Spannend wird auch die Einführung unseres „Verpackungskonfigurators 2.0“. Dabei handelt es sich um eine von uns entwickelte Software, die autonom und dynamisch unseren Verpackungsverbrauch vorhersagt, unter Einsatz von Big Data. In Zukunft soll uns die Weiterentwicklung des Konfigurators ermöglichen, das Volumen der Zutaten in einer Box noch genauer zu bestimmen. Dadurch werden wir den Verpackungseinsatz deutlich senken können. Nach ersten Testergebnissen sind allein für Deutschland, Österreich und die Schweiz eine Kartonreduktion von über 187.000 Kilogramm und eine Plastikreduktion von über 5.500 Kilogramm pro Jahr möglich. Durch den geringeren Verpackungsverbrauch sparen wir zudem 170.000 Kilogramm CO2-Emissionen pro Jahr ein.

Verpackungen haben gerade bei Lebensmitteln nicht nur einen Nachhaltigkeitsaspekt: Wo liegen für HelloFresh die Herausforderungen?

Wir verschicken eine Vielzahl unterschiedlichster Zutaten über kurze und lange Strecken. Im Sommer und im Winter. In unterschiedliche Klimazonen, von Kanada bis Australien. Deshalb müssen unsere Verpackungslösungen unter anderem für alle möglichen  Witterungsbedingungen geeignet sein. Außerdem haben die verschiedenen Zutaten in einer Box unterschiedliche Kühlungsanforderungen. Je nach Land unterliegt die Kühlkette darüber hinaus jeweils anderen rechtlichen Vorgaben. Die Verpackung hat drei wesentliche Funktionen: Sie schützt und erhält die sensorischen Eigenschaften wie Geschmack und Geruch, sie begrenzt biologische Wechselwirkungen zwischen den Produkten und sie sorgt für Lebensmittelsicherheit und hohe Hygienestandards, insbesondere bei Proteinen wie Fleisch und Fisch. Für uns gilt es, die perfekte Balance zwischen diesen Funktionalitäten, der Nachhaltigkeit und der Kosteneffizienz zu halten. Wir sprechen dabei von einem „Verpackungskompromiss”.

Und wie gelingt der Kompromiss?

Das lässt sich nur je nach Ware individuell abwägen. Wir konzentrieren uns generell darauf, überflüssige Verpackung zu vermeiden. Die notwendige Verpackung reduzieren wir so weit wie möglich oder optimieren sie für das Recycling. Das bedeutet unter anderem, dass wir immer häufiger auf Monomaterial  setzen. Verpackungen aus Monomaterial erleichtern unseren Kunden das Recycling und erhöhen die Recyclingquote. In Deutschland, Österreich und der Schweiz haben wir solche Lösungen bereits für alle Milchprodukte wie Joghurt und Crème fraîche eingeführt.

Allgemein bemühen wir uns darum, den Plastik-Anteil zu reduzieren und vor allem durch Papier zu ersetzen. Unser Ziel für die Zukunft ist, dass alle Verpackungsmaterialien, die wir in den von uns bedienten Märkten verwenden, zertifiziert recyelbar sind und auch tatsächlich recycelt werden. Papier ist dafür als Material sehr gut geeignet. Leider kann der Packstoff Papier nicht immer einen Kunststoff oder Kunststoffverbund ersetzen, da für manche Zutaten notwendige Eigenschaften wie Sauerstoff- und Feuchtigkeitsbarrieren fehlen. Wir arbeiten natürlich sehr eng mit unseren Lieferanten, Maschinenherstellern und Instituten wie dem Fraunhofer Institut zusammen, um Kunststoffalternativen zu testen und gegebenenfalls zu implementieren. Hier wünsche ich mir aber von der Verpackungswirtschaft mehr neue Lösungen, die noch besser für das Recycling optimiert sind.

Sie haben schon in der Vergangenheit Material reduziert oder Packstoffe umgestellt. Was waren für Sie die wichtigsten Innovationen?

Ein aktuelles Beispiel ist die „Winterbox“, die weniger stark gegen Wärmeinflüsse isoliert werden muss. Unser kanadisches Team konnte damit 20 bis 30 Prozent Kartonvolumen je Box einsparen. Ein weiteres Beispiel: In Großbritannien haben wir eine leichtere Papiertüte für die Zutaten der Gerichte eingeführt und vermeiden so 56,8 Tonnen Papier pro Jahr.

Ein Projekt, auf das wir besonders stolz sind, ist die sogenannte Paper Pouch. In Deutschland, Österreich, der Schweiz und Schweden haben wir unsere Kühltaschen auf 100 Prozent recycelbare Papiertaschen umgestellt. Die Paper Pouch entstand aus einer Zusammenarbeit von HelloFresh mit Studierenden der Universität Lund in Schweden und einem deutschen mittelständischen Unternehmen. Durch ihre Einführung konnte das Gewicht der Kunststoffverpackungen um mehr als 50 Prozent je Box reduziert werden. Derzeit arbeiten wir auch in Kanada und Großbritannien an der Einführung einer solchen Lösung.

Darüber hinaus: In der Kartonagen-Industrie kehrt man inzwischen ab von dem Denken, dass mehr Papier automatisch mit einer höheren Box-Performance einhergeht. Wir loten mit unseren Lieferanten immer wieder neue Wege aus, um die Box-Performance mit Blick auf die Papierstärke intelligent zu optimieren. Das ist keine leichte Aufgabe: Unsere Boxen werden nicht einfach nur auf einer Palette gestapelt und per LKW verschickt. Sie gehen auf eine komplizierte Reise durch das postalische System. Durch verschiedene Optimierungsprozesse konnten wir den Papierverbrauch unserer Kartonage aber schon um 23 Prozent reduzieren.

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