„Verpackungsindustrie an einem Wendepunkt“

Wenn die Verpackung spricht: Unternehmen wie DHL testen neuartige Systeme, um die Logistik nachhaltiger und leistungsfähiger zu machen.

„Wir sehen die Verpackungsindustrie an einem Wendepunkt“, sagt Christopher Fuss, Head of SmartSensors IoT bei DHL Customer Solutions & Innovation (CSI). Neben der zunehmenden Knappheit von Ressourcen sei vor allem der globale Trend der Nachhaltigkeit ein wichtiger Treiber. Gleichzeitig habe es in den vergangenen Jahren bei der Internet-of-Things (IoT) Technologie einen gewaltigen Schub gegeben. Die dafür notwendigen Chips und Sensoren sind immer leistungsfähiger und auch günstiger geworden, so dass sich der Einsatz immer häufiger auch wirtschaftlich rechnet.

Kern der Entwicklung sind für Fuss Chips, die über eine Energiequelle verfügen und von sich aus Informationen versenden, Technologien wie Bluetooth Low Energy, Narrowband IoT oder andere Low Power Wide Area Networks. „Es wird mit dieser Technik immer leichter, Warenströme zu steuern“, ist sich Fuss sicher. Das sei wichtig für die Supply Chain. „Ein Beispiel sind Impfstoffe: Hier ist es wichtig zu wissen, wo der Impfstoff gerade ist und zugleich auch, in welchem Zustand er sich befindet, also zum Beispiel die Temperatur bei der Kühlung.“ Dass solche Informationen über Sensoren bereitgestellt werden, sei an sich nichts Neues. „Der Trend geht aber dahin, dass die Sensoren gleich in der Verpackung mit integriert sind“, prognostiziert der DHL-Experte. „Die Verpackung spricht dann zu uns.“

„Digitalisierung nicht um jeden Preis“

DHL testet derzeit ein neuartiges System mit Verpackungsboxen aus einem hochwertigen Textil. Die Idee ist, dass der Lieferant die Umverpackung immer wieder mit zurücknimmt. Wenn diese allerdings zehn oder 15 Zyklen überstehen soll, müsse man sich über ganz neue Dinge Gedanken machen, so Fuss. Wie ist der Zustand der Verpackung? Und ab wann lohnt sich die Weiterverwendung nicht mehr? Sensoren und Chips können dabei helfen, ein solches System von wiederverwertbaren Verpackungen zu managen. „Wenn ich auch sagen muss, dass wir nicht Digitalisierung um jeden Preis brauchen“, warnt Fuss. „Mit jedem Chip, der eingebaut wird, entsteht auch Elektroschrott, wenn die Verpackung nicht mehr gebraucht wird.“ Das sei zu bedenken.

Herausforderung Mehrweg

Auch Frank Linti sieht bei Mehrwegverpackungen ein großes Zukunftsthema. Er ist Director Business Innovation bei der Inotec Group, einem Anbieter von Barcode- und RFID-Lösungen. Treiber sind seiner Meinung nach gleich mehrere Faktoren. „Die Handelskonzerne fragen sich schon jetzt, ob es nicht sinnvoller ist, die Rohstoffe im Kreislauf zu halten, weil dies irgendwann deutlich günstiger ist und zudem andere Rohstoffe eventuell auf dem Markt gar nicht verfügbar sind“, sagt Linti. „Das einfachste ist es da, die Verpackungen mehrfach zu nutzen.“

Auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern werde das Thema Mehrweg ab 2023 einen deutlich größeren Stellenwert bekommen. Ab dann nämlich müssen größere gastronomische Betriebe nach dem Verpackungsgesetz ihren Kunden Mehrwegverpackungen für Essen und Getränke zum Mitnehmen anbieten. „Das wird das Thema Mehrweg beim Endkunden deutlich stärker ins Bewusstsein rücken“, prognostiziert Linti. Ein Teil der Kundschaft werde Mehrwegkonzepte dann auch im Einzelhandel erwarten, so seine Einschätzung.

Damit die neuen Mehrwegsysteme funktionieren, seien digitale Systeme und IoT-fähige Verpackungen notwendig. Mit ihnen könne automatisch der Standort der Mehrwegverpackung innerhalb der logistischen Kette getrackt werden. „Hersteller wissen dann, wo sich die Verpackung befindet, sie können Bestände besser managen und wissen auch, wann sie die Verpackung aus dem Verkehr ziehen müssen, weil sie eventuell schon eine bestimmte Anzahl von Befüllungszyklen hinter sich hat“, fasst Linti zusammen.

Neben dem herkömmlichen EAN-Code, der Angaben über das Produkt und den Preis enthält, brauche es eine zweite Codierung für die Verpackung. Mehrwegsysteme und entsprechende Automaten seien bereits durchweg in der Lage, 2D-Codes zu verarbeiten. In Zukunft würden RFID- Systeme hinzukommen. Denn diese RFID-Datenträger könnten unsortiert und kontaktlos ausgelesen werden. Sind Dutzende Verpackungen in einem Sack, funktioniert RFID immer noch. Der 2D-Code hingegen muss einzeln eingescannt werden.

Je wertvoller die Verpackung, desto höher wird das Pfand für sie. Umso mehr kommt es dann auch darauf an, dass die Codierung fälschungssicher ist. „Wir schaffen das, indem unser Chip fest in der Verpackung integriert ist, er also nicht abgelöst werden kann, ohne die Verpackung zu zerstören“, so Linti.

Datenbanksysteme, über die diese Verpackungen organisiert werden können, sind technisch kein Problem. Solche Datenbanken werden längst in anderen Branchen, etwa in der Autoindustrie für Bauteile genutzt. Etwas schwieriger ist es, die Lesedaten zu erzeugen. Großen Handelsketten können die Infrastruktur sicherlich vorhalten. „Schwieriger wird es dann bei den kleineren Einzelhändlern. Der Kiosk am Eck wird sicherlich erst zuletzt an ein solches System angebunden“, ist sich Linti sicher. Tatsächlich liegt die Herausforderung gar nicht mal mehr in der technischen Umsetzung. Vielmehr geht es langfristig darum, Standards in der Industrie zu formulieren und Insellösungen zu vermeiden.

Logistikdaten manchmal ein Geheimnis

Ein Mehr an Transparenz ist dabei nicht von allen Akteuren unbedingt gewollt. Dies zeigt sich etwa bei Datenbanken, die genutzt werden könnten, um die Verpackungsströme zu überwachen und zu lenken. Grundsätzlich gibt es gute Gründe dafür, dass nicht jeder Anwender sein eigenes System programmiert, sondern eventuell gemeinsame Datenbankanwendungen genutzt werden. „Dass allerdings Daten gemeinsam erfasst werden, ist nicht allen Unternehmen recht“, sagt Christopher Fuss von DHL CSI. „Durch die Logistikdaten lassen sich sehr viele Informationen darüber gewinnen, was im Markt gerade passiert. Da halten sich Unternehmen lieber bedeckt. Sie wollen die Hoheit über ihre Daten behalten.“ Deshalb gebe es bei der Datenverarbeitung immer wieder Insellösungen.

von Henning Zander

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