Wellpappenindustrie spürt Kostendruck und warnt vor Mehrwegquoten

Die deutsche Wellpappenindustrie musste 2022 ein Absatzminus hinnehmen. Sie war nach Angaben des Verbands der Wellpappen-Industrie e.V. (VDW) erneut mit einem nie zuvor erreichten Kostendruck und einem erheblich abgekühlten Konsumklima konfrontiert. Der aktuelle Entwurf für eine neue EU-Verpackungsverordnung drohe nun, Wellpappe künftig zu benachteiligen, so der VDW.

„Die Wellpappenindustrie zeichnet die gesamtwirtschaftliche Entwicklung oft wie ein Seismograph nach, denn wir stellen die nach wie vor wichtigste Transportverpackung für diverse andere Industrien zur Verfügung. Mehr als zwei Drittel aller Waren in Deutschland erreichen ihr Ziel sicher verpackt in Wellpappe“, erklärte der VDW-Vorsitzende Dr. Steffen P. Würth während der Jahrespressekonferenz des Verbandes, der seinen Sitz von Darmstadt nach Berlin verlegt hat.

„2022 war geprägt von Marktverwerfungen infolge des russischen Krieges gegen die Ukraine, der Energiekrise und einem sich zunehmend verschlechternden Konsumklima. Entsprechend hart wurde die Wellpappenindustrie von der Entwicklung getroffen, denn über zwei Drittel aller in Deutschland transportierten Waren werden in Wellpappe verpackt“, erklärte Würth.

Wellpappe spielt eine maßgebliche Rolle als Transportverpackung für Nahrungs- und Genussmittel. Diese Gruppe machte 2022 laut Würth 41,8 Prozent aus – und stelle damit weiterhin den größten Anteil dar. Verbraucherinnen und Verbraucher haben auf die steigenden Lebenshaltungskosten unter anderem damit reagiert, dass sie tatsächlich weniger Nahrungsmittel eingekauft haben. Der stationäre Einzelhandel musste laut Statistischem Bundesamt 2022 im Vergleich zum Vorjahr reale Umsatzeinbußen von fünf Prozent hinnehmen. Einzelne Warengruppen waren noch stärker betroffen. „Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass auch die Bilanz der Wellpappenindustrie für 2022 gegenüber den Vorjahren magerer ausfällt.“

Beim mengenmäßigen Absatz verzeichneten die im VDW organisierten Unternehmen 2022 mit 8.029 Millionen Quadratmetern gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um 635 Millionen Quadratmeter. Dies entspricht einem Minus von 7,3 Prozent. Gleichzeitig wurde die Wellpappenindustrie 2022 mit neuen Rekordwerten bei den Papierpreisen konfrontiert. Nachdem die Kosten für den wichtigsten Rohstoff der Branche schon 2021 dramatisch in die Höhe geklettert waren, verteuerte sich Wellpappenrohpapier von Januar bis Juni 2022 um weitere 11,2 Prozent. Dann folgte eine sehr hoch angesiedelte Plateauphase, die bis in den Oktober anhielt. Erst danach begann das Preisniveau zu sinken – lag aber im Dezember 2022 immer noch 40,8 Prozent über dem letzten Tiefpunkt im September 2020. „Damit blieb der Kostendruck beim Wellpappenrohpapier in der Gesamtbetrachtung 2022 weiter auf einem Level, das man nur als massive Belastung für unsere Industrie werten kann“, betonte der VDW-Vorsitzende. Hinzu kamen die preislichen Auswirkungen der Energiekrise.

„Blinde Quotenvorgaben“

Bei den Durchschnittserlösen konnte die Branche 2022 gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg um 17,9 Cent pro Quadratmeter auf durchschnittlich 75,7 Cent pro Quadratmeter verbuchen, was einem Plus von 31 Prozent entspricht. Beim Umsatz erzielte die Wellpappenindustrie 2022 bedingt durch die höheren Erlöse ein Plus von 21,3 Prozent. „Diese positiven Entwicklungen bei den Durchschnittserlösen und beim Umsatz konnten den extremen Kostendruck beim Wellpappenrohpapier und in der Energieversorgung jedoch bei Weitem nicht ausgleichen“, so Würth.

Kritisch bewertet der Verband den Entwurf der europäischen Verpackungsverordnung. Die Branche unterstütze zwar ausdrücklich übergeordnete Ziele des Vorhabens, wie der VDW-Vorsitzende betont: „Wellpappenverpackungen sind Kreislaufverpackungen. Unsere Industrie ist mit einem durchschnittlichen Recyclinganteil von über 80 Prozent in unseren Produkten sogar maßgeblich auf einen erfolgreich funktionierenden Wertstoffkreislauf angewiesen. Und auch die Strategie eines immer sparsameren Materialeinsatzes mit immer exakter auf die Waren abgestimmten Verpackungen verfolgen die VDW-Mitglieder schon lange.“ Die im Entwurf vorgesehenen verpflichtenden Mehrwegquoten – 90 Prozent bei Transportverpackungen für Haushaltsgroßgeräte ab 2030 und 50 Prozent bei E-Commerce-Verpackungen ab 2040 – lehne der VDW jedoch ab. „Die Studienlage zeigt für uns ganz klar, dass blinde Quotenvorgaben nicht die Lösung sein können. Sie könnten verpackende Industrien in der Praxis sogar zwingen, eine weniger nachhaltige Option nutzen zu müssen. Denn in zwei aktuellen Studien zu E-Commerce- sowie zu Transportverpackungen konnte sich Wellpappe in konkreten Vergleichsfällen durchaus gegen Mehrweglösungen durchsetzen. Die immer wieder vorkommende Behauptung, dass Mehrweg in jedem Fall die ökologisch bessere Wahl sei, halten wir vor diesem Hintergrund für einen Mythos“, erklärte Würth.

Zusätzlich zu den genannten Quotierungen strebt die EU-Kommission ein generelles Verbot für Obst- und Gemüseverpackungen bis 1,5 Kilogramm an, von dem auch Wellpappe betroffen wäre. „Hier werden kreislauffähige Wellpappenverpackungen völlig undifferenziert mit Einwegplastik auf fossiler Rohstoffbasis über einen Kamm geschoren.“ Der Verband fordert, Wellpappe von dieser geplanten Regelung auszunehmen.

von Anna Ntemiris

RSS
Empfehlung
Twitter
Visit Us
Follow Me
LinkedIn
Xing