„Wir brauchen flächendeckende Lösungen“
E-Commerce wird in Deutschland mehr und mehr zur festen Größe – mit steigender Bedeutung auch für die Verpackungswirtschaft. Im Interview mit packaging-360.com am Rande der FACHPACK erläutert Daniela Bleimaier, Leiterin Public Affairs Deutschland & Regionales beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh), was das für die Verpackungswirtschaft bedeutet.
Der Onlinehandel hat sich im vergangenen Jahr vor allem in der zweiten Jahreshälfte sehr dynamisch entwickelt. War das wegen der besonderen Umstände nur ein „Strohfeuer“?
Daniela Bleimaier: Sicher nicht. Die Menschen nutzen den Onlinehandel inzwischen noch selbstverständlicher als je zuvor. Das spiegelt sich in unseren Statistiken. Die E-Commerce-Umsätze sind im zweiten Quartal 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 19,4 Prozent auf rund 24 Milliarden Euro gestiegen. Wichtig ist dabei, dass die Entwicklung in diesem Quartal nicht mehr nur auf schwachen Vergleichszahlen des Vorjahres beruht. E-Commerce wird immer mehr zur festen Größe, und darauf muss man sich einstellen, auch in der Verpackungswirtschaft. In diesem Jahr könnte erstmals die Umsatzgrenze von 100 Milliarden Euro übertroffen werden.
Wie wirkt sich das auf den Verpackungsmarkt aus?
Bleimaier: Wenn der Onlinehandel um 20 Prozent steigt, bedeutet das nicht gleichzeitig, dass 20 Prozent mehr Verpackungen benötigt werden. Schließlich werden die Produkte nicht nur einzeln bestellt. Aber es bedeutet sicher, dass der Bedarf an Verpackungen von Onlinehändlern deutlich wächst – eine Herausforderung mit Blick auf die Nachhaltigkeit. Die Onlinehändler müssen sich an den Wünschen der Kunden orientieren. Nach einer Umfrage, die wir im vergangenen Jahr in Auftrag gegeben haben, ist die Nachhaltigkeit der Verpackung rund 43 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher besonders wichtig. Wir brauchen gute Ideen aus der Verpackungswirtschaft. Insbesondere die junge Generation und deren Wünsche müssen teilweise noch stärker in die Köpfe.
Was bedeutet „nachhaltige Verpackung“ im E-Commerce?
Bleimaier: Auch wenn möglicherweise nicht jeder Verbraucher als Erstes daran denkt, ist die wichtigste Funktion der Verpackung im Onlinehandel zunächst der Transportschutz. Der hat oberste Priorität. Es wäre schließlich wenig nachhaltig, wenn das Produkt beschädigt ankommt. Zudem: Wenn die Lieferung enttäuscht, wählen Kunden bei ihrer nächsten Bestellung schnell einmal einen anderen Händler. Für die Nachhaltigkeit ist natürlich wichtig, Verpackungen möglichst kompakt zu halten und wenig Füllmaterial zu verwenden. Und auch, ein nachhaltiges Verpackungsmaterial zu nutzen. Allerdings muss das Material in Mengen verfügbar sein, die dem wachsenden Volumen des Onlinehandels entsprechen. Wenn ich Meldungen zu neuartigen Verpackungsmaterialien lese, etwa zur Grasfaser, bin ich da nicht immer so sicher. Wir brauchen zukunftsfähige, flächendeckende Lösungen.
Was wären für Sie denn denkbare Alternativen?
Bleimaier: Ideen gibt es schon viele. Ich habe neulich ein Paket erhalten, bei dem ein Onlinehändler Stroh als Füllmaterial eingesetzt hat. Ich finde, das ist eine gute Alternative. Eine Lösung für nachhaltigere Verpackungen kann auch Mehrweg sein. Die Rückgabe einer Mehrwegverpackung hatte in unserer Umfrage die höchste Akzeptanz, wenn es darum geht, welche Kompromisse die Befragten für einen nachhaltigeren Einkauf eingehen würden. Natürlich setzt das dann eine entsprechende Infrastruktur voraus. Für die Händler darf das Verfahren nicht zu kompliziert werden. Für die Kunden auch nicht, alle müssen mitmachen. Aber Beispiele wie die „memo Box“ von Versandhändler memo zeigen mir, dass Mehrwegsysteme im Onlinehandel nicht unrealistisch sind. Dort funktioniert das System schon seit rund zehn Jahren.