Soziales Engagement am PoS

Konsumgüterunternehmen und Handelsketten bieten ihren Kunden immer häufiger die Möglichkeit, durch ihren Einkauf die Umwelt oder hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen. Sie verknüpfen dazu die Einführung von neuen Produkten und Verpackungen mit sozialen Aktionen.

Ob Wasser, Weichspüler oder Wildfruchttee: In Supermärkten und Drogerien gibt es immer mehr „soziale Produkte“. Wer die Ware kauft, unterstützt soziale Aktionen, versprechen die Hersteller. „Die Kunden finden das gut“, sagt der Handelsmarketing-Experte Professor Dr. Martin Fassnacht von der WHU – Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf.

Seit dem Frühjahr 2018 verkauft zum Beispiel das Berliner Start-up Share Foods GmbH in den Märkten von Rewe und der Drogeriekette dm Mineralwasser, Bio-Nussriegel und vegane Flüssighandseife. Das Ziel des Projekts: Mit jedem abgesetzten Produkt hilft Share zusammen mit der Berliner Tafel e.V. und der „Aktion gegen den Hunger“  nach dem „Eins-plus-eins-Prinzip“. Das bedeutet, dass einem Menschen in Not pro verkauftem ein gleichwertiges Produkt bereitgestellt wird. Ein halbes Jahr nach dem Start des Projekts konnten laut Share-Gründer und Geschäftsführer Sebastian Stricker unter anderem bereits mehr als 30 Brunnen in Liberia, Kambodscha und Äthiopien finanziert werden.

Um Transparenz zu zeigen, ist jeder Artikel mit einem Tracking-Code versehen, der genau anzeigt, wo die Hilfe ankommt. „Der Ansatz mit dem ‚Eins-plus-eins-Prinzip‘ ist unkompliziert und nachvollziehbar für den Verbraucher. Mit jedem Kauf kann gleichzeitig einem Menschen in Not geholfen werden. Das finde ich großartig“, erklärt Lionel Souque, Vorstandsvorsitzender der Rewe Group. Nun weitet Rewe die Kooperation mit Share aus und verkauft als erster Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland Mineralwasser auch in Flaschen aus wiederverwertbarem Plastik, das Share herstellt. Die Kunden, die mit dem Kauf von Share-Produkten ohnehin soziale Projekte unterstützen, nutzen Plastikflaschen, ohne dabei neuen Plastikmüll zu produzieren.

Produkte, die Geschmack und Gewissen ansprechen

Es gibt weitere Beispiele für Produkte, die nicht nur den Geschmack, sondern auch das gute Gewissen des Käufers ansprechen. „Tee trinkend die Welt verändern“ heißt die Devise der Eisteemarke Charitea. Mit jedem verkauften Tee und Softdrink fließt ein fester Betrag an den gemeinnützigen Lemonaid & ChariTea e.V. So wurden bis heute nach Angaben der Hamburger Lemonaid Beverages GmbH, die die Marke vertreibt, mehr als 3 Millionen Euro für Sozialprojekte in den Anbauregionen gesammelt.

Social Plastic in Verpackungen

Auch die großen Konzerne wollen zunehmend mit ihrer Ware Umwelt und Menschen in Not helfen. Das Unternehmen Henkel hat jetzt ebenfalls soziale Produkte im Angebot. „Social Plastic“ steckt neuerdings in Verpackungen von Wasch- und Reinigungsmitteln, die in westeuropäischen Ländern im Handel sind. Verschiedene Flaschenarten von Henkel-Fensterreinigern oder -Weichspülern enthalten recyceltes Plastik, das in Haiti gesammelt wurde, erklärt das Düsseldorfer Unternehmen.

Als erstes Fast-Moving-Consumer-Goods-Unternehmen ging Henkel vor einem Jahr eine Partnerschaft mit dem Sozialunternehmen The Plastic Bank ein. Gemeinsames Ziel: Plastikabfall zu sammeln, bevor dieser in die Meere gelangt. In Sammelcentern in Haiti, einem der ärmsten Länder der Welt, tauschen Sammler Plastik gegen Geld oder Sozialleistungen. Das „Social Plastic“ wird dann wieder der Plastikrecycling-Wertschöpfungskette zugeführt, erklärt das Unternehmen.

Henkel-Experten sei es gelungen, das aufbereitete Plastik in 25.000 Flaschen für Wasch- und Reinigungsmittel zu integrieren. „Wir sind sehr zufrieden mit den ersten erfolgreichen Testläufen der Integration von Social Plastic in unsere Produktverpackungen. Die Verpackungen haben alle Qualitätskriterien erfüllt, und so konnten die Produkte direkt auf den Markt gebracht werden“, sagt Vineet Varman, Verpackungsentwickler im Bereich Laundry & Home Care. „Zukünftig wollen wir noch mehr Social Plastic in unseren Produktverpackungen einsetzen“, so Varman weiter.

Henkel und The Plastic Bank haben in diesem Jahr drei neue Sammelcenter in Haiti errichtet. Aus Plastik wird so Wert geschaffen, bevor der Abfall in Gewässer oder Ozeane gelangt. Henkel hat sich zudem das Ziel gesetzt, das recycelte Plastik in seinen eigenen Produktverpackungen einzusetzen. Damit will das Unternehmen die Entwicklung zu einer Kreislaufwirtschaft vorantreiben.

Pilotprojekt ist weiterer Schritt im Engagement für Nachhaltigkeit

Die Pilotprojekte zum Einsatz von Social Plastic in Verpackungen sind für Henkel ein weiterer Schritt im langjährigen Engagement für Nachhaltigkeit. Erst vor kurzem hat das Unternehmen seine neue Verpackungsstrategie vorgestellt. Henkel möchte gemeinsam mit seinen Partnern eine nachhaltige Entwicklung vorantreiben. Hierfür wurden spezielle Initiativen entlang der drei wesentlichen Phasen einer Kreislaufwertschöpfungskette definiert: Materialien aus nachhaltigen Quellen, intelligentes Verpackungsdesign, den Kreislauf schließen. Bis zum Jahr 2025 sollen 100 Prozent der Verpackungen recycelbar, wiederverwendbar oder kompostierbar sein. Im selben Zeitraum soll der Anteil von recyceltem Plastik in den Verpackungen für Konsumentenprodukte in Europa bei 35 Prozent liegen.

"Die Verbraucher erwarten von den Unternehmen ein soziales Engagement. Die Masse der Kunden möchte aber nicht mehr dafür bezahlen als bisher." 
Prof. Dr. Martin Fassnacht, Inhaber des Lehrstuhls für BWL, insbesondere Marketing und Handel WHU – Otto Beisheim School of Management 

Verbraucher wollen ethischen Nutzen von ihrem Kauf haben

Angebot und Nachfrage nach sozialen Konsumgütern werden zunehmen, sagt Fassnacht. „Verbraucher erwarten von den Unternehmen ein soziales Engagement.“ Seit einigen Jahren wollen Verbraucher zunehmend einen „ethischen Nutzen“ durch ihren Einkauf haben, stellt der Wirtschaftswissenschaftler fest. Fassnacht betont aber auch: „Die Masse der Kunden möchte aber nicht mehr dafür bezahlen als bisher.“

Fassnacht unterscheidet vier Nutzenkategorien bei Produkten: den funktionalen Nutzen  (zum Beispiel Sättigung), den emotionalen Nutzen (zum Beispiel Spaß), den symbolischen Nutzen (zum Beispiel Eindruck) und den gesellschaftlichen oder ethischen Nutzen, der nun im Trend liegt.

Die Unternehmen werden die Nachfrage nach sozialen Produkten auch deshalb bedienen, weil sie damit einem anderen Trend – der Anti-Konsumhaltung – gegensteuern können, so Fassnacht. „Der Konsum ist positiv behaftet, wenn der Kunde einen ethischen Nutzen darin sieht.“ Die Verpackung müsse deutlich machen, dass es sich um ein soziales Produkt handelt. „Und sie muss gut aussehen“, sagt er. „70 Prozent der Kaufentscheidungen von Konsumgütern im stationären Handel finden am Point of Sale (PoS) statt.“ Wer ein Reinigungsmittel kauft, wisse, dass es Chemie enthalte und habe ein reineres Gewissen, wenn er erfährt, dass Inhalt oder Verpackung ein soziales Projekt unterstütze oder die Umwelt schone.

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