Verpackung als Teil des Produkts

Produkt-Designerin und Hochschullehrerin Ursula Tischner spezialisiert sich sich mit ihrer Agentur ecoconcept auf nachhaltiges Design. Verpackung kann ökologisch und massentauglich sein, sagt sie im Interview.

Was bedeutet Design-Forschung beim Thema Verpackung? Was ist EcoDesign?

Es gibt grundsätzlich drei verschiedene Arten der Design Forschung: 1. Forschung über Design, zum Beispiel über dessen Methoden und Prozesse. 2. Forschung im Design-Prozess, beispielsweise zu Beginn des Gestaltungsprozesses werden das System, der Markt, die potenziellen Zielgruppen, Trends oder neue Technologien beforscht. 3. Design als Forschungsaktivität, die unter anderem Gesellschaft kritisch hinterfragt. Im Bereich der Verpackungen sollte immer die Verpackung im Gesamtsystem betrachtet, dieses also untersucht werden. Das sind zum Beispiel der Lebenszyklus der Verpackung und des zu verpackenden Gutes, von den Rohstoffen über die Produktion zu Gebrauch und Recycling oder Entsorgung und die Wertschöpfungskette. EcoDesign versucht lebenszyklusweit ökologisch und ökonomisch (und sozial) sinnvolle Lösungen zu generieren, das können Produkte, Dienstleistungen oder Systeme sein.

Welche Produkte können nachhaltiger sein, wenn sie nur anders designt werden?

Die meisten. Im Moment sind es leider immer noch nur sehr wenige Produkte, die mit einem Schwerpunkt auf ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit gestaltet werden.

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Wie kann EcoDesign massentauglich werden?

Richtig gemachtes EcoDesign ist massentauglich. Immer wenn Produkte dem Konsumenten „nahe“ kommen, ist der Anteil an ökologisch besseren Alternativen schon recht hoch, angefangen bei Bio-Lebensmitteln, über Kosmetik- und Körperpflegeprodukte zu Textilien oder Möbeln, denn diese sind gesundheitsrelevant oder haben mit dem Wohlbefinden der Menschen zu tun. Ein anderer Grund ökologische Güter zu bevorzugen ist für Konsumenten, wenn sie dadurch Geld sparen können, beispielsweise bei effizienten Elektrogeräten. Auch das Fair- Trade-Label ist erfolgreich, hier aus sozialen Gründen. Solche Vorteile für Konsumenten oder im Bereich B2B müssen ecodesignte Güter umsetzen und gut kommunizieren, durch das Produkt oder durch die produktbegleitende Kommunikation. Dann werden sie auch von breiteren Bevölkerungsschichten akzeptiert.

Können Öko-Design-Verpackungen alle Funktionen erfüllen?

Beim Ecodesign von Verpackungen gilt es immer, die Verpackungsaufgabe zu erfüllen und das auf ökologisch (und sozial) so vorteilhafte Weise, wie möglich. Eine Verpackung, die nicht funktioniert ist nicht Eco-designt, sondern schlecht designt.  Hier müssen in der Regel Kompromisse eingegangen werden, und es muss die beste Lösung gesucht und gefunden werden, die so ökologisch wie möglich,  machbar und bezahlbar ist. Bei Verpackungen kommt es sehr oft auf das System an, in dem die Verpackung eingesetzt wird. Dieses muss mit gedacht werden im Design.

Was halten Sie von den Absichten der Konsumgüterriesen und des Handels zur Verpackungs-Reduktion? Ist das machbar?

Ein Pflichtprogramm für Industrie und Handel wäre es: Verpackungen, wo immer möglich, wegzulassen, Verpackungsvielfalt zu reduzieren, Schadstoffe zu eliminieren, sich auf die gut recyclingfähigen Massenkunststoffe zu beschränken, diese auf den Verpackung deutlich maschinenlesbar zu kennzeichnen und so eine effiziente Kreislaufwirtschaft zu unterstützen. Alle Verpackungen, die zwangsläufig in der Natur landen oder dissipativ sind, müssen schadstofffrei und biologisch abbaubar sein, so dass sie von der Natur gut und gewinnbringend „verdaut“ werden können.

Gibt es genug Ressourcen, die dem Kreislaufgedanken entsprechen?

Ich denke schon. Trotzdem müssen Ressourcen auch in der Kreislaufwirtschaft effizient also sparst eingesetzt werden. Effizienz und Effektivität sind wichtig.

Gibt es ein Verpackungsprojekt, an dem Sie gezielt mitgearbeitet haben?

Wir haben zum Beispiel für einen großen amerikanischen Fast-Food-Anbieter gearbeitet und nach Alternativen zu seinem EPS-Einweggetränkebechern gesucht und solche vorgeschlagen.

Sie haben internationale Erfahrungen: Wo ist Deutschland Vorreiter? Wo sehen Sie Vorbilder in ökologischem Design?

Leider ist Deutschland in diesem Bereich kein wirklicher Vorreiter. In einigen anderen Ländern passiert sehr viel mehr, als in Deutschland was das Ecodesign angeht. Ein Grund dafür ist auch, dass die Deutsche Politik einen Schlingerkurs fährt, was ökologische Probleme angeht und der Industrie viel zu wenig richtige Rahmenbedingungen vorgibt. Eigentlich will man den Klimawandel bekämpfen, schafft es aber nicht, schnell aus der Kohle auszusteigen und die europäisch ambitioniert gedachten Schadstoffgrenzwerte für die Automobilindustrie zu unterstützen und wirft dann eben die eigenen Klimaziele über Bord. Eigentlich wissen wir, dass die Feinstaubbelastung in den Städten uns Stadtbewohner einige Lebensjahre kostet, aber trotz Schummeldiesel Skandal wird die Automobilindustrie nicht zur Rechenschaft gezogen und die Dieselfahrer bleibe allein auf oder in ihren schmutzigen Autos sitzen. Eigentlich wollten wir eine Energiewende gestalten, aber dann streicht die Politik die Subventionen für Solar- und Windstrom. Da gibt es eine sehr lange Liste an Politkversagen.

Ecodesign ist kein Standard- und Pflichtprogramm in den Designausbildungsstätten, viele Designer beklagen immer noch es gäbe keine Nachfrage nach Ecodesign, haben aber selbst auch gar nicht die Kompetenzen, die sie bräuchten, um wirklich seriöses und fundiertes Ecodesign zu betreiben. So werden sie auch nicht pro-aktiv tätig.

Große Lebensmittelhersteller sagen, nicht Plastik ist das Problem, sondern oftmals hinterlassen die Produkte selbst einen großen ökologischen Fußbabdruck. Warum also nicht mehr Öko-Plastik?

Das ist sicher oft richtig. Es wäre ja auch verheerend, wenn die Verpackungen noch schädlicher als die verpackten Produkte wären, obwohl sie doch nur für eine meist eher kurze Verpackungsaufgabe gebraucht werden. Das bedeutet aber nicht, dass man Verpackungen vernachlässigen kann. Beides sollte ecodesignt werden – sowohl das zu verpackende Produkt als auch die Verpackung. Oft lassen sich noch bessere Ergebnisse erzielen, wenn Verpackung und verpacktes Produkt gemeinsam angeschaut und gestaltet werden, da man durch eine geänderte Produktgestaltung unter Umständen die Verpackung reduzieren kann, oder die Verpackung Teil des Produktes werden kann. Beispiel: Für eine trockenes Stück Seife brauche ich viel weniger Verpackung als für Flüssigseife und muss auch das Wasser in der Flüssigseife nicht verpacken und transportieren.

Ursula Tischner studierte Architektur, Kunst und Produkt-Design/Industrial Design und spezialisierte sich auf nachhaltige Gestaltung. 1996 gründete sie econcept, Agentur für nachhaltiges Design in Köln. Sie berät Unternehmen, wie zum Beispiel aus der Elektro-Industrie in Südkorea und forscht mit dem Ziel, die ökonomische, soziale und ökologische Nachhaltigkeit von Produktions- und Konsumsystemen zu vergrößern. Von 2002 bia 2009 war Ursula Tischner Professorin für Sustainable Design an der Design Academy Eindhoven in den Niederlanden. Danach war sie als Professorin Georgia in den USA tätig und seit 2016 ist sie verantwortlich für den Bereich Eco-Innovative Design an der Fachhochschule Joanneum in Graz.
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