Verpackungen haben keinen Selbstzweck

Künftig soll mehr Verpackungsmüll recycelt werden. Guido Aufdemkamp, Executive Director Flexible Packaging Europe, sieht Industrie und Verbraucher in der Pflicht. Von beiden hängt ab, ob die geforderten Recyclingquoten erfüllt werden können.

Ab 2019 gilt das neue Verpackungsgesetz, demzufolge unter anderem zunächst 58,5 und ab 2022 63 Prozent der Verpackungskunststoffe dem Recycling zugeführt werden müssen. Ist das ein realistisches Ziel bei derzeit aktuell rund 50 Prozent Recyclingquote in diesem Bereich?

Die neuen Quoten sind sicherlich eine Herausforderung für die gesamte Wertschöpfungskette, aber nicht unrealistisch! Ein gern vergessener Grundsatz gilt weiterhin: ohne richtiges Sammeln, kein Recycling! Im neuen Verpackungsgesetz ist daher auch verankert, dass die neu geschaffene zentrale Stelle und die dualen Systeme sich wieder verstärkt um mehr Aufklärung der Endverbraucher kümmern sollen. Kürzlich hat eine Umfrage des Deutschen Verpackungsinstituts ergeben, dass sich die Mehrheit der Bundesbürger nicht ausreichend informiert fühlt. Besonders hoch war der Anteil bei den jüngeren Leuten – für die ist es einfach zu lange her, dass es gezielte Informationen gab.

Wie können die Verbraucher, bei  denen ja das Gros des Verpackungsmülls landet, motiviert werden, diesen Müll dem Recycling zuzuführen? Wird es beispielsweise bald Flaschenpfand bei Shampoo und Flüssigwaschmitteln oder drastische Strafen bei Mülltrennungsfehlern geben?

Wie bereits erwähnt, kann der Verbraucher nur über vernünftige Aufklärung motiviert werden. Das kann beispielsweise durch die kommunalen Entsorger über entsprechende Flyer oder auch über breitere Kommunikation – nicht unbedingt klassische Werbung –  etwa in Form von Hintergrundgesprächen mit den Medien, erreicht werden.

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Das Einwegpfand auf weitere Verpackungen auszuweiten, diese Idee gab es tatsächlich mal, wird unserer Meinung nach eher zu Gegenreaktionen beziehungsweise Ablehnung der Konsumenten führen. Grundsätzlich muss bedacht werden, dass Einwegpfand für bestimmte und möglicherweise einfach zu verwertende Verpackungen die Kosten des dualen Systems auf die dort verbleibenden Verpackungen konzentriert. Somit erhöhen sich die Lizenzentgelte insgesamt! Strafen bei Mülltrennungsfehlern bedürfen auch der intensiven Kontrolle, um wirksam zu sein, was natürlich zu einem erheblichen Aufwand führen würde. Eine vernünftige Aufklärung ist wahrscheinlich günstiger und führt mindestens zu ähnlichen Ergebnissen.

Deutschland ist mit über 18 Millionen Tonnen jährlich Verpackungsmüllweltmeister. Maria Krautzberger, die Präsidentin des Umweltbundesamts, forderte deswegen in einem FAZ Artikel, wir müssten „Müll vermeiden, möglichst schon in der Produktionsphase durch den Verzicht auf unnötige und unnötig materialintensive Verpackungen.“ Stattdessen aber setzt Deutschland vor allem auf Recycling. Warum?

Zunächst einmal: Die Verwertung aller Verpackungen liegt nach kürzlich veröffentlichen Zahlen der GVM bei 96,5%, davon wurden 79% stofflich verwertet. Im Bereich Kunststoff, zu denen die meisten flexiblen Verpackungen gehören, liegen die Quoten bei 94,8 Prozent beziehungsweise bei 50,6 Prozent für die stoffliche Verwertung.  Wir sind also in Deutschland schon ziemlich weit. Zudem arbeiten wir daran, die stoffliche Verwertung hochzufahren und die Qualität der dabei herauskommenden Stoffe zu erhöhen.

Man sollte aber bedenken, dass das Aufkommen von zu entsorgenden Verpackungen in erster Linie mit unseren Lebensgewohnheiten zusammenhängt. Moderner Lebensmittelhandel ist ohne Verpackung schlicht unmöglich! Die Konsumenten – mich eingeschlossen – möchten eine große Auswahl, Convenience und möglichst ständige Verfügbarkeit aber gleichzeitig ohne jegliche Umweltbelastung. Verpackungen sind kein Selbstzweck! Sie sollen in erster Linie die verpackten Güter, wie beispielsweise Lebensmittel, schützen. Diese benötigen normalerweise deutlich mehr Ressourcen in der Herstellung als die Verpackung selbst. Das bedeutet, dass die Verpackung an sich eine Investition in den Schutz des Lebensmittels ist. Die Abfüller verzichten übrigens allein schon aus Kostengründen auf unnötige Verpackungen.

Allerdings muss man immer auf den kompletten Lebensweg eines Produktes schauen, um die Aufgabe der Verpackungen wirklich bewerten zu können. Die Folie um die Gurke ist wahrscheinlich das meistzitierte Beispiel für angeblich unnötige Verpackungen. Ohne die Folie verdirbt die Gurke aber deutlich schneller, was letztendlich zu einer insgesamt schlechteren Umweltbilanz führt, da für Herstellung und Vertrieb der Gurke Ressourcen aufgewendet wurden. Danach stellt sich die Aufgabe, dass alle Verpackungen gesammelt werden müssen. Denn nur dann können Verpackungen auch verwertet werden!

Werden diesbezüglich denn auch die Hersteller und der Handel selbst aktiv?

Ja. Es gibt die europaweite Initiative CEFLEX, in der sich die gesamte Wertschöpfungskette von Rohstoffherstellern, über Verarbeiter und Markenartikler bis hin zu Recyclern und Entsorgern, das Ziel gesetzt hat,  bis 2025 eine Infrastruktur für das Sammeln, Sortieren und Recyceln von flexiblen Verpackungen zu etablieren. Daran wird aktiv gearbeitet.

In welchen Bereichen wird denn aktuell schon auf die Reduzierung von Verpackungsmaterial gesetzt? Und wie effektiv ist das?

Die Vermeidung findet schon in vielen Bereichen statt. Diverse Verpackungsmaterialien, etwa Glas und Kunststoffe, wurden schon deutlich dünner. Bei flexiblen Verpackungen ist das Grundkonzept ohnehin die Minimierung von eingesetztem Verpackungsmaterial. Folien aus Kunststoffen, Papier und Aluminium werden so kombiniert, um von den kumulierten Materialeigenschaften zu profitieren. Der reduzierte Material- und Energieeinsatz in der gesamten Lieferkette führt zu einer geringeren Umweltbelastung. Bei flexiblen Verpackungen sticht vor allem das niedrige Verpackung-zu-Produkt-Verhältnis heraus.  Es ist etwa 5- bis 10-mal niedriger als bei alternativen Lösungen. Um mal Zahlen zu nennen: Das Verpacken aller Lebensmittel in flexiblen Verpackungen würde in der EU 26 Millionen Tonnen Verpackungsmaterial jährlich einsparen.

Sieht man diese Chance und gibt es den Vorsatz, dieses enorme Einsparungspotenzial  tatsächlich auszuschöpfen?

Nun, das ist natürlich ein Extremszenario. Außerdem werden gewisse Produkte niemals in flexiblen Verpackungen angeboten werden, weil sie dann in puncto Convenience oder Verkäuflichkeit nicht mehr ganz so attraktiv wären. Nur ein Beispiel: Ein edler Bordeaux wird aus diversen Gründen weiterhin in der Flasche und nicht im Beutel auf den Tisch kommen.

In Japan hat das Unternehmen KAO das Verpackungsplastik für seine Produkte durch die Einführung von dünnen Refillbeuteln schon lange um jährlich rund 900.000 Tonnen reduzieren können. Ist diese offenbar recht effektive Müllreduzierungsmethode bei uns eigentlich schon ein Thema?

Der Einsatz von flexiblen Verpackungen für Nachfüllportionen steigt auch bei uns stetig. Aus Hygienegesichtspunkten ist das aber bisher hauptsächlich für den Bereich Haus- und Körperpflege geeignet. So haben beispielsweise Henkel und andere Hersteller schon Vergleichbares im Einsatz. Allerdings müssen solche flexiblen Verpackungen auch gut funktionieren und nicht zuletzt  vom Verbraucher akzeptiert werden. Einen Weg zur Müllvermeidung bieten solche Beutel auf jeden Fall.

Wird man in Deutschland, wie auch immer, die im neuen Verpackungsgesetz geforderten Recyclingquoten tatsächlich erreichen können?

Ja, ich bin da zuversichtlich!

 

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