Stecker rein und los!

Es ist ein lange gehegter Traum: Maschinen, die sich problemlos miteinander verbinden lassen. Noch ist dieses Unterfangen sehr aufwendig. Aber innovative Standards eröffnen neue Perspektiven.

Die Trolleys der Lenze Gruppe können schnell neu zusammengestellt werden. Jeder Trolley steht für eine Maschine mit einer bestimmten Funktion: Infeed, Pick&Place, Packaging, Paletizer und Outfeed. Die Maschinen werden digital simuliert, die Schnittstellen jedoch sind real. Mit seinem Showcase war der Hersteller und Entwickler von Antriebstechnik und Automation im November 2018 schon auf der SPS IPC Drives in Nürnberg und 2019 auf der Hannover Messe. Es ist eine Machbarkeitsstudie darüber, was schon mit heutiger Technik möglich ist. „Wenn ich heutzutage Maschinen miteinander verbinden möchte, will ich nicht verschiedene Einzellösungen nebeneinander stehen haben, sondern möchte, dass sich die Maschinen unterhalten und miteinander abstimmen“, sagt Patrick Bruder, Global Business Development Manager Automation bei Lenze. „Dafür brauche ich bestimmte Schnittstellen zwischen den Maschinen. Diese Schnittstellen sind von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Das heißt, ich muss jedes Mal wieder klären, welche Daten übermittelt werden, welche Formate genutzt werden. Passen die Schnittstellen? Kann ich die Maschinen in meine Produktionslinie integrieren?“ Noch ist es sehr kompliziert, die Maschinen aufeinander abzustimmen. Denn sie nutzen nicht nur unterschiedliche Kommunikationsverfahren, sie sammeln auch unterschiedliche Informationen. Durch aufwendiges Engineering kann dieses Problem zwar gelöst werden, doch das führt dazu, dass die Inbetriebnahme bis zu einem Viertel der Gesamtinvestitionen ausmacht. Neue Standards versprechen, diese Kosten deutlich zu drücken.

In der Industrie gibt es inzwischen mit der Open Platform Communications Unified Architecture (OPC UA) und der Companion Specification PackML für Maschinen der Packindustrie einen gemeinsamen Standard. Während OPC UA die Technologie zur Datenübertragung liefert, definieren Companion Specifications, welche Daten übertragen werden. Federführend bei der Entwicklung von Companion Specifications ist der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Damit der Austausch zwischen den Maschinen funktioniert, müssen sie eine gemeinsam standardisierte Companion Specification nutzen. Maschinen, die mit diesem Standard ausgestattet sind, sind erst einmal vom Grundsatz miteinander kompatibel. Der zusätzliche Programmieraufwand sinkt deutlich.

Lenze ist nun noch einen Schritt weitergegangen. „Der Part, der bis jetzt gefehlt hat, ist die Abstrahierung von der Maschine in Fähigkeiten“, sagt Bruder. So könne beispielsweise ein Förderband die Aufgabe haben, eine Sache von A nach B zu transportieren. Eventuell könnte derselbe Arbeitsschritt aber auch von einem Roboter viel besser erledigt werden. Durch die Abstrahierung könnte dann das Förderband viel einfacher durch den Roboter ersetzt werden – und zwar ohne etwas an der Software ändern zu müssen.

Fokus auf innovative Industrie-4.0-Konzepte

Die Institutsteil für industrielle Automation beim Fraunhofer Institut für Optotronic, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB-INA) in Lemgo arbeitet schon seit 2011 daran, dass Maschinen besser miteinander vernetzt werden können. Der Standard OPC UA ist hier schon seit Jahren bekannt und wird unter anderem in der SmartFactoryOWL, einer gemeinsamen Initiative von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe und dem Fraunhofer IOSB-INA, für die Demonstration von Industrie-4.0-Konzepten verwendet. „Dass im Augenblick das Interesse an dieser Technik steigt, liegt daran, dass sie einen gewissen Reifegrad erreicht hat“, sagt Florian Pethig, Gruppenleiter Big Data Plattformen. Allerdings liegt die Crux im Detail. Etwa darin, dass ältere Maschinen nicht immer mit diesem Standard zurechtkommen.
„Es gibt die Möglichkeit, alte Maschinen mit OPC UA auszustatten“, erklärt er. Der Prozess nennt sich Retrofitting. Funktionieren kann dies zum Beispiel über Internet-of-Things-Gateways. „Diese Gateways ermöglichen allerdings nur die Kommunikation der Maschinen untereinander“, sagt Pethig. „Der zweite Part, die Informationsebene, ist komplizierter. Denn es kann sein, dass die ältere Maschine bestimmte Informationen nicht auswertet oder andere Parameter verwendet.“ Hier sei noch zusätzliche Programmierung notwendig. „Das bekommt man nicht geschenkt“, stellt er fest. Hinzu kommt: OPC UA ist nicht gleich OPC UA. In kostengünstigeren Geräten, etwa kleinen Sensoren, kann oft nur eine eingeschränkte OPC-UA-Funktionalität verwendet werden. „Das wird sich allerdings in den kommenden Jahren von selbst erledigen“, vermutet Pethig. „Auch kleine Geräte werden von Jahr zu Jahr ressourceneffizienter und leistungsfähiger, sodass das schon bald keine Herausforderung mehr ist.“

Plug & Produce sorgt für höhere Produktivität

Der Vorteil von OPC UA ist es, dass es nicht an einen bestimmten Hersteller gebunden ist. Damit bietet er sich als offener Standard an und wird für viele Anbieter interessant. Dies hebt die Technik von proprietären Systemen ab. Lange Zeit haben Hersteller hierüber versucht, ihre Vormachtstellung in den Fabriken aufzubauen und zu erhalten. Die Strategie dahinter: Sind Maschinen nicht herstellerübergreifend kompatibel, muss sich der Endanwender entscheiden, welchem technischen Ökosystem er sich zuwendet – und ist an diese Entscheidung langfristig gebunden. Dieses Denken bricht langfristig auf.

Die Vorteile von Plug & Produce für den Endanwender sind offensichtlich: Er kann schnell reagieren, sein Maschinenarsenal den Anforderungen des Marktes anpassen und seine Produktion umstellen. Noch sieht die Realität allerdings anders aus. „Im Augenblick bietet das der Markt noch nicht“, sagt Matthias Kühn, Head of Automation Engineering Technology bei der Beiersdorf AG. „Deshalb versuchen wir bei den Maschinenherstellern darauf hinzuwirken, dass Plug & Produce möglich wird.“ Der Grund für diese Vorgehensweise liegt laut Kühn auf der Hand. „Mit einer zunehmenden Zahl von Produkten und Varianten müssen unsere Produktionslinien agiler und flexibler werden.“

So könnte er sich vorstellen, eines Tages beispielsweise in einer Halle drei Füllmaschinen und zehn verschiedene Labeler zu haben, die in unterschiedlichen Funktionsbereichen ihre Stärken haben. „Ich könnte dann für die jeweiligen Produkte jeweils die beste Maschine einsetzen. Im besten Falle wäre es egal, von welchem Hersteller die Maschine ist.“ Doch aus seiner Sicht tun sich die Hersteller damit schwer. „Es ist ja so, dass selbst die Maschinen aus einem Hause nicht immer miteinander harmonieren“, sagt Kühn. Selbst in diesem Fall habe man es immer wieder mit unterschiedlichen Schnittstellen zu tun. Die Linienintegration sei oftmals ein Problem, bis hin zu unterschiedlichen Bedienkonzepten und der Visualisierung. Kühn ist sich allerdings sicher, dass das Thema Plug & Produce eine immer größere Rolle spielen wird. Dafür müssten sich Hersteller aus seiner Sicht jedoch mehr gegenüber Standardisierungen öffnen. „Das wäre dann für alle ein Gewinn.“


		
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