Drucken im ganz großen Stil

Der Trend zur Individualisierung von Verpackungen beschert dem Digitaldruck einen Wachstumsschub. Die junge Technologie wird längst nicht mehr nur für limitierte Auflagen und personalisierte Produkte genutzt. Erste Schritte auf dem Weg zur individuellen Massenproduktion sind gemacht.

Coca-Cola, Nutella und Kinderschokolade – das sind die prominenten Namen, die Drucker und Druckmaschinenhersteller immer wieder ins Feld führen, um die Vorteile des Digitaldrucks und die Möglichkeiten der Individualisierung zu preisen. Doch auch viele andere Marken haben mit persönlichen Botschaften versehene Produkte schon im Programm. Unter dem Kampagnendach „Der Moment seid ihr!“ macht Rotkäppchen gerade zum wiederholten Mal mit „Sag’s mit Rotkäppchen!“ im Handel auf sich aufmerksam: Beim Kauf von Rotkäppchen Sekt besteht die Möglichkeit, Etiketten individuell zu gestalten und nach Hause senden zu lassen. In diesem Jahr erstmals sogar mit Bild.

Was so spielerisch daherkommt, ist alles andere als ein Marketing-Gag: „Die Individualisierung leistet einen großen Beitrag zur Absatzsteigerung“, erklärt Jörg Hunsche, Market Development Manager bei der HP Deutschland GmbH in Böblingen. Solche Promotions hätten das Potenzial, die Markenbekanntheit zu steigern und Wissen über die eigene Zielgruppe zu sammeln. „Markeninhaber haben heute den Anspruch, den Kunden näher zu kennen, mit ihm in Interaktion zu treten, schneller mit neuen Produkten am Markt zu sein und in immer kürzeren Produktzyklen, Produktvariationen zu liefern“, so Hunsche. Diese Ansprüche erfülle der Digitaldruck.

Große Druckmaschinenhersteller wie HP treiben die Digitalisierung der Verpackungsbranche maßgeblich voran und leisten Aufklärungsarbeit. Denn der Digitaldruck ist zwar in aller Munde, was er zu leisten vermag, ist vielen Markeninhabern aber nicht hinreichend bekannt. Was technisch heute alles schon möglich ist, zeigt beispielsweise „Mitzi’s unendliche Schürzenkollektion“. Dabei handelt es sich um eine Sonderedition Weinetiketten, auf denen ein Dirndl abgebildet ist und die von der Marzek Etiketten + Packaging GmbH für das Weingut Iby realisiert wurde. Ausgangspunkt der Schürzenkollektion war das Grunddesign von Pepo Bella, einem Künstler und Grafiker aus dem Burgenland. Dieses „Schürzen-Grunddesign“ wird mit Hilfe der Individualisierungssoftware HP Mosaic immer wieder variiert. Durch Rotation, Skalierung oder Farbwechsel entstehen so beliebig viele einzigartige Variationen eines Dirndls. Jedes Etikett ist ein Unikat, einerlei ob in Kleinst- oder Millionenauflage.

Digitaldruck kann mehr als viele vermuten

Oder das Beispiel mymuesli.de. Seit 2007 können Kunden ihr Lieblingsmüsli online mixen. Dabei erlauben 80 Zutaten unendlich viele Kombinationen. Jede Dose mit einem individuellen Label zu versehen und das in hoher Qualität und in Auflagen von mehreren Tausend Stück am Tag, war die Anforderung an Label­Print24. Dafür wurde der gesamte Herstellungsprozess automatisiert: Die individualisierten Etiketten werden innerhalb weniger Stunden auf einer HP Indigo WS 6800 gedruckt, veredelt und am nächsten Tag als Etikettenrolle an die Fertigungslinie nach Passau geliefert. Der Kunde kann unterschiedliche Dosendesigns wählen, einen Namen für sein Müsli vergeben und seine Müslikreation mit eigenen Worten beschreiben.

Der Digitaldruck zielt aber nicht darauf ab, herkömmliche Druckverfahren zu ersetzen, sondern vielmehr zu ergänzen. Marketer verfügen nun über eine Technologie, um kreative Verpackungen zu erstellen und selbst kurzfristig Promotionkampagnen für spezifische Märkte und Zielgruppen aufzusetzen. Der Kreativität werden dabei keine Grenzen gesetzt, praktisch alles kann digital bedruckt werden: Etiketten, Banderolen, flexible Verpackungen, Wellpappe und Faltschachteln – unabhängig von Größe und Auflage. In die Verpackungsgestaltung lassen sich darüber hinaus medienübergreifende Berührungspunkte mit sozialen Medien und mobilen Apps integrieren. Außerdem sorgt der Digitaldruck für mehr Flexibilität in der Produktion und bringt Verpackungsveredlern damit auch bei kleinen Auflagen höhere Margen. Die bereits vorhandenen Offset-, Flexo- und Tiefdruckmaschinen werden weiterhin dort zum Einsatz kommen, wo ihre Stärke liegt: bei Großauflagen.

Vor- und Nachteile im Digitaldruck

Vorteile:
• Schneller Druck ohne Rüstzeiten
• Wirtschaftliche Produktion von Kleinauflagen auf höchstem Qualitätsniveau
• Übernahme von Kleinauflagen aus der Offsetproduktion, um die Offsetmaschinen zu entlasten
• Deutliche Reduzierung oder Eliminierung von Makulatur
• Erweiterung des Onlinegeschäfts
• Personalisierte Verpackungen und Mass Customization sind nur mit Digitaldruck möglich

Nachteile:
• Hoher Schulungsaufwand durch ­Integration einer Digitaldruckmaschine: Mitarbeiter aus den Bereichen Verkauf, IT, Order-Management, Planung, Prepress, Weiterverarbeitung, Qualitätskontrolle müssen ­trainiert werden
• Maschine muss an den Webshop und den Vorstufen-Workflow, in die Fertigungsplanung und in die Maschinendatenerfassung eingebunden werden
• Schnelle Bearbeitung und Produktion einer großen Anzahl von kleinen Aufträgen stellt völlig neue Herausforderungen an die Organisation und die Betriebsabläufe

Individualisierung und Prozesskostenvorteile

Patrick Donner, Geschäftsführer der Traffic GmbH in Schwülper, sieht das Alleinstellungsmerkmal des Digitaldrucks weniger darin, kleine Auflagen kostengünstig zu drucken, sondern in der Chance, komplett individualisierte Verpackungen herzustellen – und das in Auflagen von eins bis zu einer Million. „Wir können in einem Druckvorgang unterschiedlich große Verpackungen produzieren, individuell bedrucken, digital veredeln, variabel lackieren und folieren“, erklärt er. Die Druckqualität könne dabei den Vergleich mit dem Offset-Druck aufnehmen.

Laut Thomas Pfefferle, Geschäftsführer der Colordruck Baiersbronn W. Mack GmbH & Co. KG, sind Individualisierung, Personalisierung und Mass Customization nur die eine Seite der Medaille. „Der Digitaldruck bietet in der Supply Chain zwischen Verpackungshersteller und Kunde Prozesskostenvorteile, weil nicht mehr auf Vorrat, sondern quasi ‚on demand‘ entsprechend des Bedarfs gefertigt werden kann.“ Die Verpackungsbranche habe die Möglichkeit, von diesen Entwicklungen zu profitieren und „added value“ zu generieren.

Davon profitieren zuerst die Branchen, die bereits heute eine hohe Sortenvielfalt mit kleinen Losgrößen haben. Dies betrifft von der Pharmaindustrie, Elektroindustrie bis zu Lebensmitteln in regionaler Vielfalt fast alle Branchen. Pfefferle registriert derweil ein Umdenken in der Verpackungsindustrie: Bisher sei Verpackung immer in möglichst großen Losgrößen, standardisiert, auf Lager produziert und mit möglichst seltenen Druckbildänderungen gedacht worden.

Im Digitaldruck werde dagegen nur noch bestellt und gefertigt, was aktuell gebraucht wird. Nichts werde mehr gelagert. „Auch wenn bedarfsgerecht hergestellte, digital gedruckte Verpackungen in Kleinlosgrößen für sich genommen teurer sind als die größere Losgröße im Offsetdruck, spart dies ein Mehrfaches an Prozesskosten. Dies ist aber oft nicht so transparent und fällt gerne unter den Tisch“, ist Pfefferles Erfahrung.

Alle Prozesse müssen digitalisiert sein

Der Digitaldruck ist allerdings nur eine Komponente der Digitalisierung. Alle Möglichkeiten dieser Technologie lassen sich nur ausspielen, wenn die dazugehörigen Prozesse ebenfalls digital sind. Wie das in Perfektion geht, will die vor einem Jahr in Worms gegründete und jetzt an den Start gegangene PackEx GmbH beweisen. Das Startup ist eine Tochter der August Faller Gruppe und wickelt seine Druckaufträge komplett über eine webbasierte Softwaregesamtlösung ab. Seit kurzem ist die B2B-App von PackEx über den Google Chrome Browser installierbar und Nutzer können branchenübergreifend Faltschachteln schnell, kostengünstig und ressourcenschonend online ordern.

Möglich macht dies die konsequente Digitalisierung aller Produktionsstufen bei der Herstellung von Standardfaltschachteln. Kleinserien von 1 bis 5000 Stück sollen demnach dank des smarten Bestellvorgangs sowie deutlich kürzerer Produktions- und Lieferzeiten innerhalb von 72 Stunden über Paketversand im Express am Point of Sale ankommen.

 

RSS
Empfehlung
Twitter
Visit Us
Follow Me
LinkedIn
Xing