„Produkt-Zwilling“ im Internet dank RFID
Peter Altes, Geschäftsführer des Verbandes AIM-D. e.V. erklärt im Interview, inwiefern sich RFID vom Barcode unterscheidet und wo es sinnvoll eingesetzt werden kann.
Die Alternative zur altbewährten und immer noch gebräuchlichen optischen Identifikation via Barcode & Co ist die Radiofrequenz-Identifikation (RFID). Wo liegt der Unterschied?
Sowohl Barcode als auch RFID dienen dazu, Produkte zu kennzeichnen, also zu codieren und diese Codes dann wieder auszulesen, also zu identifizieren, um diese Daten dann zweckorientiert in einem IT-System zu verknüpfen. Das Codieren und Identifizieren findet bei allen AutoID-Technologien statt, egal ob optisch wie beim Barcode oder elektronisch mit Funkwellen wie bei RFID.
Wenn man aber komplexere Anforderungen hat wie Pulkerfassung oder die vielzitierte Losgröße 1 (Sonderanfertigung, d. Red.), wenn kein Sichtkontakt besteht, wenn die zu kommunizierende Datenmenge oder die Auslesedistanz groß ist, oder wenn man nicht nur Daten auslesen, sondern auch wieder einspeichern will, damit an der nächsten Auslesestelle Zusatzinformationen verfügbar sind, dann klappt das mit dem Barcode nicht, sondern nur mir RFID-Transpondern.
Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?
Ja, etwa die Kühlkette. Da gibt es den neuen Trend, Auto-ID mit Sensorik zu koppeln. Beim Verlassen der Kühlkammer, beim Aufladen auf Lkw, nach Transportpausen, beim Einliefern ins Kühlhaus des Händlers wird immer wieder die Temperatur der Kühlware gemessen. Da werden also jeweils Daten ausgelesen und neue gespeichert. So lässt sich dann im Nachhinein überprüfen, ob die Kühlkette durchbrochen wurde oder nicht.
Könnte RFID den Barcode ablösen, wenn RFID-Transponder immer günstiger werden?
Grundsätzlich: nein, in gewissen Anwendungsbereichen aber: ja. Zum einen ist jedoch offen, ob man das Ganze zum gleichen Preis erhält, zumal die Leseprozesse, Datenbankstrukturen und die größere Datenmengen bei RFID an sich schon komplexer sind. Zum anderen stellt sich die Frage, ob ich diese Leistungsfähigkeit für meine Zwecke überhaupt benötige.
Wenn der Barcode für mich noch in 20 Jahren funktioniert, was dem Lebenszyklus einer Verpackungsmaschine entspricht, muss ich nicht schon jetzt auf RFID umsteigen, nur weil es mehr Daten übermitteln kann, ich dieses Mehr an Daten für meine Zwecke aber gar nicht benötige.
Wenn allerdings jemand ein neues Werk für hochwertige Produkte wie beispielsweise Smartphones, Rechner etc. aufbaut, dann ist die Neigung, mit RFID zu arbeiten, natürlich größer als bei einer Postsendungsverarbeitungsstraße.
Man hört und liest in letzter Zeit öfter von der Verwendung von NFC-Transpondern. Wie ist NFC im Kontext RFID einzuordnen?
NFC ist RFID! Im Bereich RFID gibt es drei zentrale Frequenzbereiche: Low Frequency (LF), High Frequency (HF) und Ultra High Frequency (UHF). Diese Frequenzbereiche haben unterschiedliche Leistungsmerkmale in Bezug auf Reichweite, Übertragungsraten und Störanfälligkeit.
Das HF-Feld hat man aus Marketinggründen mit einem eigenen Namen versehen, nämlich Near Field Communication (NFC). Wie der Name schon sagt, muss man da zum Auslesen sehr nah herangehen. Für Lagerhaltung beispielsweise ist das somit nicht geeignet. NFC nutzt man eher im Consumer-Bereich wie etwa dem Payment und Ticketing oder für elektronische Typenschilder etwa bei Geräten, Maschinen oder Ähnlichem.
Aktuell gibt es Bestrebungen, auch den UHF-Bereich mit einem eigenen Namen zu versehen, nämlich RAIN. RAIN-Technologie bietet hohe Übertragungsraten und Reichweiten von bis sechs Metern bei passiven Transpondern und bis zu 100 Metern bei aktiven Transpondern mit eigener Energiequelle.
Wo und wie kommen solche RAIN-Transponder zum Einsatz?
Eine Idee ist beispielsweise, Produkte, auch Lebensmittel, mit RAIN-Tags auszustatten und dann im Verkaufsraum Hotspots einzurichten. Dort hält man dann das Produkt an einen Reader und erhält beispielsweise ein passendes Rezept zu dem jeweiligen Lebensmittel auf das Handy. Mit RAIN-Technologie möchte man Produkte mit dem Internet der Dinge verbinden.
Das Internet der Dinge ist eines der Zukunftsthemen. Wird sich RAIN durchsetzen?
Mit UHF, also RAIN, können wir auf dem preiswertesten, schnellsten und massentauglichsten Weg die höchstmögliche Anzahl von Objekten mit dem Internet der Dinge verbinden. Ist ein Produkt mit einem RAIN-Transponder ausgestattet, habe ich quasi einen digitalen Zwilling davon im Internet. Ich erfahre somit beispielsweise, woraus es besteht, wo es her kommt, wie lange es unterwegs war, was ich damit alles machen kann und so fort. – Das ist die Vision von UHF-RFID. Die Kosten für diese Tags können zudem im Centbereich liegen. Die Chancen für RAIN stehen folglich gut.