Ausgesaugt: Trinkhalme ohne Plastik

Sangria, Smoothie oder Shake: Wer dies genießt, macht das mit einem Strohhalm. Aber der beliebte Halm soll nun verbannt werden – weil er nicht aus Stroh, sondern fast immer aus dünnwandigen Kunststoffen wie Polyethylen oder Polypropylen besteht.

Schlürfen macht Spaß, ein bunter Halm ziert den Longdrink, und der Lippenstift hält besser: Es gibt viele Gründe für den Trinkhalm. Aber nun ist plastikfrei in aller Munde, und die EU  hat beschlossen, Wegwerfprodukte aus Kunststoff weitgehend abzuschaffen. In zwei Jahren soll es daher auch keine Plastik-Halme mehr geben. Das Material für Trinkhalme war schon sehr oft einem Wandel unterworfen. Der älteste gefundene Trinkhalm bestand – nicht aus Stroh, sondern aus Gold. Gefunden wurde er in einem sumerischen Grab. Etwa 3000 vor Christus schlürften die Sumerer nach heutigen Erkenntnissen vermutlich Bier, um oben schwimmende Getreidehülsen zu umgehen. Die Sumerer waren aber nicht die einzigen, die früh zum Röhrchen griffen. Auch in Argentinien gibt es schon lange die Bombilla: Das ist ein Halm mit Siebeinsatz am unteren Ende. Er verhindert, dass beim Teetrinken Mateblätter im Mund landen. Erst viele Tausend Jahre später kam der Strohhalm zu der Form, die wir heute kennen. Nun ist die Plastik-Ära auch bald Geschichte, weil sich das Bewusstsein für Plastik verändert hat.

Was bleibt: Manche Getränke trinkt man einfach lieber und besser mit Strohhalm, ob Sangria oder Cocktails. Es gibt aber auch Produkte, deren Halm Teil des Markenkerns ist. Beim Fruchtsaftgetränk Capri-Sun ist dies zum Beispiel der Fall. Der 0,2-Liter-Beutel mit Trinkhalm ist insbesondere bei Kindern beliebt. René Püchner, Geschäftsführer Capri-Sun Vertriebs GmbH, betrachtet das geplante Plastikhalm-Verbot kritisch. Auf Anfrage erklärt er: „Auch wir als Unternehmen arbeiten kontinuierlich an einer Optimierung unserer – von der Regierung als ökologisch vorteilhaft anerkannten – Verpackung. Zu unseren Maßnahmen zählen beispielsweise die kontinuierliche Überprüfung und Minimierung der verwendeten Materialien sowie die Senkung des Energieverbrauchs bei Produktion und Logistik. Das geplante Verbot von Plastik-Trinkhalmen zählt nach unserer Auffassung jedoch keinesfalls zu den wirklich prioritären Maßnahmen, die den Schutz der Umwelt nachhaltig verbessern.“

Püchner schlägt vor: „Gemäß dem von der Politik anerkannten Stufen-Modell, Verpackungsmaterialien in erster Linie zu minimieren, soweit möglich wiederzuverwenden und ansonsten zu recyceln, wäre es nach unserer Auffassung sinnvoller, wenn man an erster Stelle die Verpackungsmengen und -gewichte prüfen würde, die die Hauptlast ausmachen. Hierzu zählen beispielsweise die Fragen: Wie ist das Verhältnis von Produkt zu Verpackung? Welche Verpackungen können weiter minimiert, welche Materialien gut recycelt werden?“ Der Geschäftsführer des Eppelheimer Unternehmens wünscht sich eine „sachliche Aufklärung“ , bei der „das Trinkhalmverbot ins rechte Verhältnis zum gesamten anfallenden Verpackungsmüll gesetzt wird“. „Die Verbraucher könnten nach unserer Auffassung durch Fakten überzeugt werden, die Sachlage objektiv(er) zu betrachten und sich stärker auf wesentliche Umweltschutzmaßnahmen zu konzentrieren.“ Da der Getränkehersteller aber damit rechnen müsse, dass das Verbot von Plastik-Trinkhalmen kommt, setze man derzeit alles daran, schnellstmöglich eine alternative Lösung zu finden, „die technisch ausgereift ist und zudem den Anforderungen der Konsumenten entspricht“. Nähere Informationen dazu möchte das Unternehmen derzeit nicht öffentlich machen.

Händler und Hersteller rüsten sich ebenfalls für die plastikfreie Zeit. Frankfurts einziger plastikfreier Lieferdienst „grammgenau“ verkauft zum Beispiel als Alternative Strohhalme aus 100 Prozent Edelstahl des Typs 18/8. Sie können immer wieder verwendet werden, da sie mit einer speziellen Bürste (die Frankfurter liefern eine Bürste mit Wolle ohne synthetische Fasern) oder in der Spülmaschine gereinigt werden können. 114 Gramm wiegt ein 22 mal 0,8 Zentimeter großer Edelstahl-Halm. Der Lieferdienst setzt vor allem auch auf die Catering-Branche.

Start-up produziert Trinkhalme aus essbaren Fruchtresten

Das sächsische Start-up Wisefood hat mit „Eatapple“ eine Alternative für Plastik-Strohhalme entwickelt: Der Trinkhalm besteht aus essbaren Fruchtresten, die bei der Herstellung von Apfelsaft anfallen. Die Röhrchen sind bis zu zwölf Monate haltbar und lösen sich in einem Getränk geschmacksneutral nach etwa 60 Minuten auf. „Unsere essbaren Trinkhalme sind knusprig und etwas hart, bevor man sie ins Getränk gegeben hat. Die Trinkhalme haben einen dezent süßen und leicht sauren Geschmack. Je länger der Trinkhalm im Getränk bleibt, desto weicher wird dieser. Wir empfehlen den Trinkhalm 10 Minuten im Getränk zu lassen und anschließend zu verzehren“, erklären die jungen Unternehmer. Der Halm schmecke dann leicht nach dem Getränk. Bis zu einer Stunde bleibe der Halm stabil. Das Unternehmen Wisefood wurde 2018 von der Initiative Land der Ideen und der Deutschen Bank als eine von 100 Start-ups  ausgezeichnet, die mit kreativen Erfindungen Antworten auf drängende gesellschaftliche Fragen geben wollen.

In JVA Lübeck werden „echte“ Strohhalme hergestellt

Auch die Musik- und Kongresshalle (MUK) Lübeck ist ausgezeichnet worden – für ihr umweltfreundliches Engagement. Besucher können dort Getränke mit „echten“ Strohhalmen trinken. Die MUK erhält diese Halme von der Lübecker Unternehmerin Marie-Luise Dobler, die die Idee für diese plastikfreien Halme schon vor mehr als 15 Jahren hatte – damals aber noch keinen Markt dafür sah. Erst die EU-Vorgaben und das geänderte Bewusstsein haben das Geschäft in Gang gebracht. Hergestellt werden die Roggenhalme in der Justizvollzugsanstalt Lübeck. Dort werden die Roggenhalme von inhaftierten Frauen sortiert, gekürzt und verpackt.

Supermärkte und Café-Ketten setzen auf Alternativen aus Bambus oder Papier

Auch immer mehr Supermärkte und Discounter schließen sich dem Kampf gegen die Plastikmüll-Berge an. Lidl, Rewe und Aldi kündigten an, künftig auf Geschirr, Trinkhalme und Einwegbecher aus Plastik zu verzichten. Rewe plant, bis 2020 sämtliches Plastik-Einweggeschirr aus dem Sortiment zu streichen. Der zu Edeka gehörende Discounter Netto stellt 2019 ebenfalls bundesweit den Verkauf von Plastikbesteck und Einwegbechern aus Kunststoff ein. Edeka selbst entwickelt gezielt Mehrwegartikel, um Einweg-Plastikgeschirr zu vermeiden, und setzt auf den verstärkten Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen wie Bambus in diesem Bereich.

Um weniger umweltschädlichen Müll zu produzieren, will die Café-Kette Starbucks Einweg-Trinkhalme aus Plastik in ihren weltweit rund 28.000 Filialen bis zum Jahr 2020 abschaffen. Durch den Schritt dürften in den Läden pro Jahr mehr als eine Milliarde Plastik-Trinkhalme wegfallen, hieß es. Als Ersatz kämen etwa alternative Materialien und ein spezieller Deckel zum Einsatz, aus dem direkt getrunken werden solle. Diese Lösung gebe es bereits in über 8.000 Filialen in den USA und in Kanada. Die Fast-Food-Kette McDonald’s reiht sich in die Gruppe der Unternehmen ein, die Wegwerfartikel aus Plastik aus dem Angebot nehmen will. McDonald’s will künftig Trinkhalme aus Papier anbieten. Auch Glas ist ein alternatives Material, das für Halme eingesetzt werden kann.

 

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