„Es geht um systematische Transformation“

Matthias Giebel ist seit vielen Jahren als Berater in der Verpackungsbranche aktiv. Als Partner für Nachhaltigkeit und Innovation bei Berndt + Partner hilft er derzeit vielen Kunden, beim Thema Nachhaltigkeit voranzukommen. Auf der FACHPACK spricht er über die Neukundengewinnung.

„Unser Ansatz ist es, die Industrie mit dem großen Blick über die gesamte Branche zu unterstützen, um Nachhaltigkeit und Innovationen als Erfolgsfaktoren für das eigene Unternehmen zu realisieren“, beschreibt Matthias Giebel seine Aufgabe bei Berndt + Partner. Die Experten werfen einen Blick auf den Ist-Zustand der Kunden und helfen ihnen beim nächsten großen Schritt. Und das sei im Moment unbestreitbar das Thema Nachhaltigkeit.

Giebel war unter anderem an der Erstellung der Studie „ReShaping Plastics“ beteiligt, die im April 2022 vorgestellt wurde. Die Erhebung der Denkfabrik SystemIQ wurde im Auftrag von PlasticsEurope mit Unterstützung eines unabhängigen Lenkungsausschusses und Expertenpanels erstellt. Beteiligt waren auch Vertreter von EU-Institutionen, Nichtregierungsorganisationen, Hochschulen und Industrie.

Die Branche ist auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit, trotz einiger wichtiger Meilensteine in der Vergangenheit nicht immer konsequent gewesen, sagt Giebel. „Anfang der 1990er-Jahre gab es mit dem damaligen Umweltminister Dr. Töpfer schon die erste Diskussion. Verpackungsmüll war damals das erste Mal auf der Agenda. Mit der Einführung der dualen Systeme ist das Thema dann wieder von der Agenda verschwunden“, erinnert sich der Verpackungsexperte. Auch um die Klimadiskussionen und den Carbon-Footprint von Verpackungen, die 2008 und 2009 aufkamen, sei es schnell wieder still geworden.

„Jetzt befinden wir uns in der dritten Welle: Wir haben den aktuellen Berichten zufolge nur noch wenige Jahre Zeit, um den Temperaturanstieg auf 1,5-Grad zu begrenzen. Allen ist mittlerweile bewusst geworden, wie wichtig Klimaschutz ist. Hinzu kommt die Verschmutzung der Weltmeere. Beide Aspekte führen dazu, dass die Konsumenten sehr viel kritischer auf die Verpackung schauen – insbesondere auf Kunststoffverpackungen“, weiß Matthias Giebel. Dies habe aber dazu geführt, dass bei den Herstellern nun auch wirklich die Bereitschaft vorhanden sei, für nachhaltigere Lösungen mehr Geld zu investieren. „Wir sehen ganz stark, dass sich die Markenartikler auf diesen Weg begeben haben“.

Kreislaufwirtschaft im Fokus

Wie Matthias Giebel beobachtet, verfolgen die Unternehmen dabei vor allem zwei Strategien: Zum einen geht es darum, die Verpackungen klimafreundlicher zu gestalten. Zum anderen sollen fossile Kunststoffe in den Verpackungen reduziert werden. „Das kann zwar manchmal widersprüchlich sein, aber es geht um eine systemische Transformation“, erklärt Matthias Giebel. So sei im Einzelfall Mehrweg mit Blick auf die Nachhaltigkeit manchmal schlechter als Einweg. „Wenn man die Situation aber systemisch betrachtet und analysiert, was passiert, wenn relevante Mengen des Marktes auf Mehrweg umgestellt werden, wandelt sich das Bild.“ Gleiches gilt nach seinen Worten auch für den Vergleich zwischen faserbasierten Rohstoffen und Kunststoffen, für die es natürlich auch im Einzelfall unterschiedliche ökologische Vorteilhaftigkeiten gäbe. Hier gelte es allerdings auch zu berücksichtigen, dass es schon in Europa nicht überall die gleichen Verwertungsmöglichkeiten gäbe und erst Recht nicht im Rest der Welt.

Ein weiteres wichtiges Standbein der Transformation ist nach Meinung des Verpackungsberaters die Realisierung der Kreislaufwirtschaft. Hier hätten die Großen zwar schon einen Vorsprung, aber der Mittelstand ziehe nun nach: „Wir beobachten einen Innovationswettbewerb um bessere und neue Lösungen“. Handlungsbedarf bestehe aber noch beim Einsatz von Rezyklaten, gerade was die Foodgrade-Qualitäten angeht – also Verpackungen, die für den Lebensmittelkontakt zugelassen sind.

Transformation als Mammutaufgabe

Um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden, müssen Markenartikler ihre gesamte Organisation auf das Thema Nachhaltigkeit ausrichten – und dazu gehört auch die Verpackungsentwicklung. Die Verpackungsabteilungen in den Unternehmen haben also gerade alle Hände voll zu tun. Denn die Umstellung auf nachhaltigere Materialien ist nicht einfach und erfordert sehr viel Entwicklungsaufwand. „Das ist eine riesige Aufgabe. Hier sind die Markenartikler stark auf die Unterstützung der Verpackungshersteller angewiesen“, beschreibt Giebel die Situation. Gerade mit Blick auf die Transformation sei es vielleicht noch einfach, eine einzelne Produktlinie auf eine andere Verpackung umzustellen. Aber das für viele gleichzeitig zu machen, sei eine enorme Herausforderung.

Außerdem beobachtet der Verpackungsexperte, dass viele Mittelständler im Moment noch den regulatorischen Druck unterschätzen. So würden mit dem Green Deal eine große Menge an Gesetzesvorhaben auf die Hersteller zukommen. Nach den Plänen der Europäischen Kommission soll die EU durch verschiedene Maßnahmen bis 2050 klimaneutral werden. „Der Mittelstand kann oft noch gar nicht genau beurteilen, welche Konsequenzen einzelne Vorgaben für ihr Unternehmen haben – gerade weil die Verpackungsindustrie im Fokus des Green Deals steht.“

„Wir haben mit dem Green Deal die Chance, etwas zu erreichen und sind mit Hochdruck in der Transition.“ Schon lange hätte es nicht mehr so viele Innovationen auf der Verpackungsebene gegeben wie derzeit. Die Bewältigung formaler Themen wie Klimastrategie, Carbon Pricing und Plastic Tax erfordern aber viel Know-how in den Unternehmen. „Das Management muss erst einmal geschult werden, damit es nachvollziehen kann, was das eigentlich für das Unternehmen heißt und welche Daten für die Berichterstattung relevant sind“, weiß Giebel. Der eigene CO2-Fußabdruck und in naher Zukunft auch der der gesamten Lieferkette wird die Branche in den nächsten Jahren stark beschäftigen. Dazu gehört auch der Blick auf Dienstreisen: „Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft weniger reisen werden. Wir werden uns gut überlegen müssen, wie wir reisen und wohin.“ Auch Messen müssten deshalb aus seiner Sicht ihre Berechtigung beweisen: „Wenn Messen, Networking und Konferenzen unter einem Dach stattfinden, steigert das die Relevanz der Veranstaltung erheblich. Das hat mir an der FACHPACK im letzten Jahr sehr gut gefallen.“

Auf der FACHPACK 2022 wird Matthias Giebel am 29. September, ab 12 Uhr, im Forum PACKBOX zu hören sein. Das Thema seines Vortrags lautet „Neukundengewinnung in der Verpackungsindustrie durch digitale und content basierte Maßnahmen.“

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