Verborgene Risiken beim Maschinenkauf
Der Preis als alleiniges Entscheidungskriterium hat beim Maschinenkauf ausgedient. Total Cost of Ownership, Effizient und auch Flexibilität sind ebenso wichtig. Die Anforderungen müssen schon im Vorfeld exakt definiert und durch Simulation gezielt geprüft werden. Eine zentrale Frage muss jeder selbst beantworten. Wie müssen die Ergebnisse gewichtet werden?
Wer den Markt für Verpackungsmaschinenbau betrachtet, stellt schnell fest: Ein Umsatz von einer Milliarde Euro ist für einen konkurrenzfähigen Hersteller nichts Besonderes. Und das obwohl eine normale Maschine, die beispielsweise Gummibärchen fertigt, mitunter schon für eine halbe Million Euro zu haben ist. In dieser Größenordnung bewegen sich die Preise jedoch nur dann, wenn der Anlagenteil, in dem die flüssige Fruchtgummimixtur über Düsen in die Negativformen hineingegossen wird, zum Rest der Verpackungsmaschine passt. Sobald die Zufuhr eine andere ist oder die Verpackung speziell sein soll, wird es kompliziert – und für die Markenartikler oft auch teuer. Doch in der Praxis geht es meist um individuelle Lösung und dann sitzen diese Hersteller bei den Preisverhandlungen am längeren Hebel.
Ein wichtiger Grund dafür ist, dass viele Markenartikelhersteller inzwischen nicht mehr über das technische Know-how früherer Zeiten verfügen. Um kostengünstige und effiziente Fertigungsanlagen einzukaufen, sei es aber entscheidend, alle Szenarien bereits im Vorfeld durchzuspielen, sind sich alle Marktkenner einig. Sonst sei man auf externe Beratung angewiesen, was zusätzliche Kosten verursache und das Budget für die neue Anlage schmälere. Ohne hauseigene Expertise sind Preis- und Technologievergleiche mit dem Wettbewerb schwierig, noch dazu im Sondermaschinenbau. Auch deshalb raten viele Experten den Markenartiklern, unbedingt wieder mehr Ingenieure einzustellen. Bestenfalls handelt es sich dabei um Leute, die aus der Lebensmitteltechnologie kommen und Erfahrungen im Sondermaschinenbau haben.
Enttäuschung vorprogrammiert
Dass das Angebot an Verpackungsmaschinen preislich und qualitativ breit ist, unterstreicht auch Prof. Dr. Joachim Hennig, Gründer des Instituts für Konstruktionstechnik und Anlagengestaltung Dresden, das seit 2015 zur Simplan AG gehört. Für jede Verpackungsaufgabe gäbe es mehrere Maschinen unterschiedlicher Anbieter sowie unzählige Sonder- und Gebrauchtmaschinen: „Die Wahl der richtigen Verpackungsmaschine ist wegen der zu berücksichtigenden Einflussfaktoren schwierig, insbesondere für kleine und mittlere Anwender.“ Aus seiner langjährigen Erfahrung weiß er, dass die meisten Maschinenkäufe deshalb noch immer über den Preis entschieden werden. Jeder wisse zwar, dass die Investitionskosten über die Lebensdauer einer Maschine hinweg nur einen ganz geringen Teil der Gesamtkosten ausmachen. „Dennoch werden Effizienz, Ausfallzeiten, Packmittelverbrauch, Wirkungsgrad, Servicekosten, Rüst- und Reparaturaufwand sowie Personalbedarf nur ungenügend berücksichtigt. Auch, weil sie nicht bekannt und schwierig zu quantifizieren sind“, geht Hennig ins Detail. Die Folge: Es würde dann mit vagen Schätzungen gearbeitet, die Entscheidungen erschweren, fast unmöglich machen oder sich im ungünstigsten Fall sogar als völlig falsch erweisen. Die Maschinenbauer und Anwender seien mit der Situation gleichermaßen unzufrieden. Anlagenbauer bekämen ihre Anstrengungen um einen geringeren Betriebsverbrauch und größere Flexibilität und besseren Service nicht oder nicht ausreichend vergütet. Kunden seien enttäuscht, dass sich in der Produktion höhere Aufwendungen und Verluste ergeben, als im Vorfeld erwartet.
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Damit das besser wird, muss laut Hennig der Kundennutzen künftig das entscheidende Kriterium für den Verpackungsmaschinenbau sein. Aus seiner Sicht ist es eine gesicherte Erkenntnis, dass bei der Verpackung von Nahrungs- und Genussmitteln die großen Chargen ab- und kleine Chargen zunehmen. Im Fachjargon wird dann von „Stückzahl 1“ gesprochen. Parallel sei auch mit dem Wachstum der Artikelanzahl zu rechnen. Maschinenbauer wird das aus Hennigs Sicht vor die Herausforderung stellen, noch flexibler zu bauen sowie mit schnellen und aufwandsarmen Rüstzeiten zu punkten. Das führe zu einem steigenden Automatisierungsgrad, zu noch intensiverer Modularisierung beziehungsweise zu einem zunehmenden Trend zu Komplettlösungen. Deutlich erkennbar ist das schon heute: Die Schraubstunden beim Maschinenbauer sind gesunken, während die Denkstunden der Ingenieure anstiegen. Doch nicht nur die Technik muss heute den Kundenwünschen gerecht werden, auch die Vertriebsmitarbeiter müssen sich darauf einstellen. Sie in diese jeweiligen Projekte zu integrieren ist eine der größten Herausforderungen. Grund ist ein immer komplexerer Verhandlungsprozess. Zum einen fragen die Kunden immer öfter Anlagen an, deren Performances sehr hoch sind und die gleichzeitig eine Vielzahl an Formaten abdecken können. Zum anderen werden in der Angebotsphase neben den technischen Anforderungen auch die Total Cost of Ownership (TCO) ganz genau betrachtet. Denn bei der Kaufentscheidung geht es immer häufiger auch um Zuverlässigkeit, Effizienz und Flexibilität.
Zahlen sagen mehr als schöne Worte
Eine ähnliche Beobachtung macht Bearingpoint. Aus Sicht des niederländischen Beratungsunternehmens zähle für namhafte Lebensmittelproduzenten vor allem eins – die Effizienz der Anlage. Um sie zu erreichen müssten im Vorfeld einige Detailfragen beantwortet werden: Wie hochwertig ist die Qualität in der Herstellung eines Produkts? Wie flexibel kann die Herstellung gestaltet werden? Welche Garantien zu Qualität und Ausfallsicherheit können gegeben werden? Seien diese Punkte zwischen Anlagenbauer und Käufer geklärt, und bekäme der Lebensmittelhersteller das, was er braucht, ist die Kaufentscheidung keine Frage des Geldes mehr.
Wichtige Instrumente zur Errechnung der Effizienz sind zum Beispiel ein Simulationswerkzeuge. Deren Einsatz begrüßt auch Prof. Dr. Hennig. „Bewährte Methoden sind Effizienz- und Verhaltensanalysen bestehender und Konzepte für neue Produktionslinien.“ Als Vorbild nennt er die Automobilindustrie und die Logistikbranche: „Dort gehören Vergleiche von Varianten mit unterschiedlicher Struktur und variablen Betriebsbedingungen längst zum Tagesgeschäft.“ In der Verpackungsbranche würden bislang nur einige Spezialisten diese Verfahren anbieten und den Markenartikelproduzenten damit die Chance eröffnen, Prozesse und Einflussgrößen zu verstehen.