Über Grillsenf, WC-Enten und andere Alltagshelfer

Marken können sich besser am Point of Sale positionieren, wenn sie sich am Alltagsverhalten der Menschen orientieren, sagt Dr. Uwe Lebok, Vorstand von K & A BrandResearch im Interview. Der Markenexperte verwendet dazu den Begriff Context Thinking. Auf der FACHPACK spricht er im Forum der PACKBOX über Context-Packaging und den schnellen Weg zum Verbraucher. 

Sie sagen, Verpackungen können eine Hilfe im alltäglichen Orientierungschaos sein. Was meinen Sie damit?

Dr. Uwe Lebok: Verpackungen haben Markierungsfunktionen für Menschen. Wie Verkehrsschilder und Ampelsignale. Sie helfen uns den Alltag zu vereinfachen: Wenn wir eine Marke im FMCG-Segment über Verpackungen wiedererkennen und die Marke und das Produkt hinter der Verpackung uns irgendwie gut getan hat, dann erleichtert uns das die Beschaffung. Und die Wahrscheinlichkeit auf Wiederholung des erfahrenen guten Gefühls oder der Alltagserleichterung – zum Beispiel des Kloputzens mit einer WC-Ente – ist maximal. In solchen Fällen fungiert die Verpackung wie ein distinktes Brand Asset.

Darüber hinaus können Verpackungen uns signalisieren, zu welchen Gelegenheiten und Kontexten ein Produkt besonders gut passt. Die simpelste Form von Kontextualisierungen im Packaging nehmen wir als Verbraucher zu Weihnachten, Ostern und Halloween am Süßwarenregal wahr. Es gibt aber zahlreiche weitere Kontextualisierungen, die zu neuen und zusätzlichen Konsumanlässen motivieren, an die wir vor dem Einkaufen gar nicht gedacht hatten.

Hirnforscher Georg Hänsel sagt, dass unsere Emotionen die Kaufentscheidung am POS treffen. Stimmen Sie überein?

Lebok: Laut Verhaltensforscher Daniel Kahneman entscheidet das menschliche Gehirn etwa zu 95 Prozent intuitiv und somit nicht rational durchdacht. Kahneman nennt das System-1, manche bezeichnen das als „emotionale“ Entscheidung. Wenn wir etwas kennen, positive Erfahrungen gesammelt haben, dann erleichtert uns das die Entscheidung zum Wiederkauf, zur unspektakulären Routine.

Wenn an uns aber zusätzlich Signale vom POS aus gesendet werden, die uns aktuell einfach „in den Kram passen“, die uns Entscheidungen in für uns relevanten Alltagskontexten erleichtern, dann führt das zu spontanen Reaktionen – umgangssprachlich „aus dem Bauch heraus“. Beispielsweise tun wir uns leichter bei der Entscheidung für die Zusammenstellung der passenden Produkte zu bestimmten Alltagskontexten, wenn über die Packungsgestaltung entsprechende Schlüsselreize oder Bezeichnungen situationsgerecht dekodiert werden können. Bei einem als Grillsenf gekennzeichneten Tubensenf fällt es den Konsumenten einfach leichter, einen solchen Senf auszuwählen und anderen vorzuziehen, wenn sie beim Einkauf nach passenden Utensilien für ein sommerliches Grillevent suchen.

Was können Marken tun oder besser machen, um sich am POS zu positionieren?

Lebok: Unsere Antwort ist hier fast immer dieselbe: Stärker aus dem Alltagsverhalten der Verbraucher heraus denken, was wir Context Thinking nennen. Heute ist es viel wichtiger, dass Menschen in ganz bestimmten Situationen an eine Marke oder ein Produkt denken, als viel und in der Tiefe darüber zu wissen. Marken sollten sich deshalb stärker danach ausrichten, wie sie möglichst konkret oder häufiger als tauglichste Lösung für Alltagskontexte einfallen, und viel weniger damit, dass Verbraucher möglichst viel über eine Marke, über deren Purpose und Policy Bescheid wissen. Heute erfolgreiche Marken liefern leichte Lösungen in Alltagskontexten. Und die Verpackung kann hierbei über deren Shape und entsprechende Packungskommunikation ein entscheidender Hebel für Entscheidungen sein!

Angesichts der Inflation müssen Verbraucher immer mehr auf den Preis achten. Wird die Verpackung dabei eine andere Rolle bekommen?

Lebok: Auch für Krisenzeiten gilt: Starke Marken setzen gerade dann auf konsequente Markenführung und Branding. Und dann auch auf Packungskommunikation, die anregt, dass meine Marke für bestimmte Gelegenheiten genau die richtige Wahl sein kann. Internationale Studien konnten mehrfach belegen, dass diejenigen Marken, die in Krisenzeiten in Marke und (Packungs-) Kommunikation investieren, nach Beendigung der Krisen signifikant erfolgreicher ihre Märkte bearbeiten konnten.

Natürlich wird in Zeiten der Rezession der Preis eine ganz wichtige Rolle für Kaufentscheidungen spielen: Produkte, die Luxus versprechen – und teurer sind -, werden sich wieder auf wenige oder seltenere Momente und ausgewählte spitze Zielgruppen beschränken. Das wird sicherlich zahlreiche Markenartikler betreffen. Eigenmarken des Handels werden in diesen Zeiten als preisgünstigere Alternativen – möglicherweise zusätzlich auch über gezielte Kontextansprache angeregt – an Bedeutung gewinnen. Dass Verpackung bei Marken nur zum „Preisschild“ verkommt, ist wenig realistisch.

FORUM PACKBOX

Wie Context Thinking aus dem Lebensalltag der Konsumenten heraus in Marketing und Packungskommunikation zu effizienten Lösungen am POS verhilft und zu einer leichten Kaufentscheidung beiträgt, möchte Lebok am 27. September im Forum der PACKBOX der FACHPACK mit zahlreichen Beispielen aufzeigen.

Marco Gromer, Senior Brand Consultant bei K&A BrandResearch AG, und Claudia Rivinius, Marketing Director der STI Group, werden in Impulsvorträgen ebenfalls über Erfolgskonzepte von Marken und Verpackungen am POS sprechen. Zusammenfassende Learnings und Findings der Impulsvorträge werden gemeinsam mit den Vortragenden diskutiert. Zudem werden mögliche Herangehensweisen für ein Context-Packaging skizziert, die Startups, Mittelständlern aber auch global agierenden Unternehmen größtmöglichen Markterfolg versprechen – mit einem Verweis auf die besondere Rolle der Verpackungsindustrie, erklärt Lebok.

von Anna Ntemiris

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