Wie aus Müll ein Wertstoff wird
Upcycling ist eines der Ziele der Kreislaufwirtschaft. Es gibt unterschiedliche Ansätze auf dem Weg dorthin. Ob Konsumgüterbranche, Handel oder Verpackungshersteller: Das Bewusstsein für die Wertstoffe im Müll wächst.
Weltweit gelangen bis zu 23 Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr vom Land in Meere, Seen, Flüsse und Bäche, erklärt die Umweltschutzorganisation WWF. Das entspricht fast zwei LKW-Ladungen pro Minute. Die Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) will deshalb gegensteuern. Bis Ende 2024 wollen die Staatenvertreter ein globales rechtsverbindliches Abkommen gegen Plastikverschmutzung auf den Weg bringen. Ingemar Bühler, Hauptgeschäftsführer des Verbands Plastics Europe Deutschland (PED), sieht die Weichen dadurch richtig gestellt: „Die Resolution rückt Lösungen zum besseren Umgang mit Kunststoffen in den Fokus. Denn Kunststoff ist eine wichtige Ressource, die effizient im Kreislauf geführt werden muss.“
Eines der wesentlichen Ziele der Kreislaufwirtschaft ist das Upcycling: Dabei werden Abfallprodukte oder scheinbar nutzlose Stoffe in neuwertige Produkte umgewandelt, um Rohstoffe zu sparen. Für die Umsetzung gibt es unterschiedliche Ansätze. „Wir verstehen darunter den Einsatz von Rezyklaten, die in ihrem nächsten Leben für eine höherwertige Verwendung eingesetzt werden können. Rezyklate sind aufbereitete, recycelte Materialien aus einer bestimmten Verwendung“, erklärt Alexander-Christian Root, Leiter Verpackungsmanagement bei Prezero, einem Umweltdienstleister der Schwarz Gruppe in Neckarsulm, zu der auch Lidl und Kaufland gehören. Im Sortiment der Discounter befinden sich beispielsweise Haushaltswaren wie Eimer oder Aufbewahrungskörbe von Prezero, die zu 95 Prozent aus recyceltem Kunststoff bestehen. Auch die Jokey Group aus Wipperfürth bei Köln, ein Spezialist für Kunststoffverpackungen, nutzt Altplastik für Neues und beliefert beispielsweise den Anbieter von Bodenbelägen und Verlegesystemen Uzin Utz mit Eimern aus nahezu 100Prozent Recyclingmaterial. Diese bestehen aus Post-Consumer-Rezyklaten von haushaltsnahen Sammlungen sowie Post-Industrial-Rezyklaten aus Industriemüll. Das spart nicht nur Rohstoffe, sondern Uzin Utz verbessert gegenüber Neuware auch den CO2-Fußabdruck um mehr als ein Drittel.
Auf das Design kommt es an
Als Hürde für die Kreislaufwirtschaft erweist sich bislang neben der Fehlwurfquote der Verbraucher auch die fehlende
Sortenreinheit: „Verbundmaterial ist eine Riesenherausforderung. Etwa um das mit Klebstoff befestigte Etikett von einer Plastikflasche zu entfernen oder um die Folien von Schalen für Lebensmittel zu trennen“, berichtet Dr. Ron Brinitzer, Geschäftsführer von Kunststoffland NRW, einem Verband der Kunststoffindustrie, der vom Chemieunternehmen über die Verarbeiter und Maschinenbauer bis zum Recycler die gesamte Wertschöpfungskette abbildet. Unterschiedliche Kunststoffe besitzen verschiedene chemische und werkstoffliche Eigenschaften. Können sie nicht sauber getrennt werden, entsteht ein minderwertiger Mischstoff mit unbrauchbaren Eigenschaften aus dem sich kein funktionsgleiches Produkt
mehr herstellen lässt. Das passiert beispielsweise, wenn in einer Verpackung mehrere Plastikschichten als dünne Folien aufeinander geklebt sind. Deshalb komme dem Design eine wichtige Rolle zu, sagt Brinitzer: „Schon beim Entwurf der Verpackung müssen die Anforderungen des Recyclings mitgedacht werden, etwa was den Materialmix angeht oder auch Farben und Klebstoffe.“
Bei Lebensmittelverpackungen ist ein Upcycling für eine hochwertige weitere Nutzung umso schwerer infolge der meist
kunststoffbasierten Barrierebeschichtungen, die notwendig sind, um Gemüse oder Fleisch frisch zu halten. Zugleich müssen diese verhindern, dass Schadstoffe aus der Verpackung übertreten. Abhilfe will das Projekt Preserve des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) schaffen, an dem auch Südpack Verpackungen, Danone, Ferrero und Beiersdorf beteiligt sind. Die Partner arbeiten an biobasierten Barrierebeschichtungen, die stofflich getrennt recycelt werden können. Wo immer möglich, sollen die so gewonnenen Rezyklate in einem oder mehreren Produktionszyklen etwa als flexible oder spritzgegossene Kosmetikverpackungen oder als Faserwerkstoff weiterverarbeitet werden.
Auch moderne Technologie kann helfen, Rohstoffe im Abfall zu sichern und weiter zu verwerten: Im Januar hat Prezero im bayerischen Eitting eine 40 Millionen Euro teure, vollautomatische Sortieranlange leichte Verpackungen wie Joghurtbecher in Betrieb genommen. Das Material wird in 18 verschiedene Fraktionen getrennt: nach Kunststoffarten wie Polypropylen, Polyethylenterephthalat (PET) oder Polystyrol. Die Anlage sortiert auch nach Farben und übertrifft dank künstlicher Intelligenz sämtliche durch den Gesetzgeber vorgeschriebenen Sortierquoten im Rahmen des 2019 erlassenen Verpackungsgesetzes.
Im Gegensatz zum Downcycling kommt es beim Upcycling zu einer stofflichen Aufwertung. Eine pauschale Antwort, was höherwertig ist, gibt es laut Prezero-Mann Root nicht: „Wir fragen uns, welche Anwendung dahintersteht. Und wie lange wird das Produkt eingesetzt?“ Dabei werde auch berücksichtigt, ob eine Lebensmittelverpackung per se gegenüber einer für Kosmetik oder Körperpflege höherwertig ist oder eine Mehrweg- gegenüber einer Einwegverpackung besser abschneidet. Einfacher wird die Antwort auf diese Fragen, wenn ein Rohstoffunternehmen wie Golden Compound konventionelle Kunststoffe in Kleiderbügeln oder Kaffeekapseln teilweise ersetzt durch Schalen von Sonnenblumenkernen, die in der Lebensmittelindustrie in großen Mengen als Abfall entstehen.
Frische Erde statt Müllberge
Noch einen Schritt weiter geht das Startup Bio-Lutions aus Hamburg: Es wandelt Agrarreste mit Hilfe eines patentierten Verfahrens in selbstbindende ultrafeine und stabile Fasern um, die sich dann zu verschiedenen Behältern formen lassen wie beispielsweise Verpackungen für Lebensmittel, Einwegbesteck oder Deckel für Kaffeebecher. „Dabei verwenden wir verschiedenste Agrarreste, die rein mechanisch verarbeitet werden, ohne die Cellulose isolieren zu müssen. Stattdessen nutzen wir die ganze Naturfaser,was wesentlich effizienter ist. Nach Nutzung sind die Produkte problemlos kompostierbar“, erklärt Gründer und CEO Eduardo Gordillo. Entwickelt hat Bio-Lutions die neue Technologie zusammen mit der Zelfo Technology GmbH in Schwedt.
von Franziska Jandl