Bewusstsein für Hygienic Design ist gestiegen

Die Komplexität der Produktionsabläufe ist für die Einhaltung von Hygienevorgaben eine wachsende Herausforderung. Hygienic Design packt das Problem an der Wurzel. Impulse kommen von Maschinenbauern und Nahrungsmittelherstellern.

Hygienic Design bedeutet vor allem, Kontaminations­risiken mittels Maschinendesign zu senken. Beispiel ­Verpacken pulvriger Stoffe: Hier gilt es, Maschinen ohne offene Gewinde und rechte Winkel zu bauen und ausnahmslos mit durchgängigen Schweißnähten zu versehen. Zudem müssen diese so gestaltet werden, dass sich keine Produktreste ablagern können, schon gar nicht in Bereichen, die nicht oder nur schwer zugänglich sind.

„Das sind eigentlich Basiskonzepte der Hygiene“, weiß Karl-Heinz Bahr, Berater bei Thales Consult Berlin und EHEDG-Mitglied. Dass die EHEDG regelmäßig Seminare und Kurse zum Thema organisiere, habe einen guten Grund, erklärt Bahr: „Viele von diesen Basiskonzepten, die in die EHEDG-Richtlinien aufgenommen sind, haben sich noch nicht vollständig durchgesetzt.“ Das liege auch daran, dass Maschinenbauer eher geneigt seien, bestehende Maschinen zu optimieren, wo in Sachen Hygienic Design die Maschinen eigentlich komplett neu gedacht werden müssten.

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Hygieneanforderungen, Prozessoptimierung und Automatisierung, das sind nur einige der vielen Themen, mit denen sich Entscheider und Stakeholder aus der Lebensmittelbranche beschäftigen müssen. Vom Prozess bis zum Produkt liefert die FachPack die passende Antwort. Weitere Informationen finden sie hier.

Lebensmittelhersteller erhöhen den Druck auf die Maschinenbauer

Trotz dieser Einschränkung sieht Bahr beim Thema Hygienic Design eine  Zunahme der Awareness. „Es kommt mehr Druck aus dem Markt: Hygienesicherheit ist ein Aspekt, der auf der Anforderungsliste steht. Mehr und mehr Lebensmittelhersteller verlangen heutzutage, dass Maschinenkomponenten EHEDG-zertifiziert sein müssen.“ Der Grund liegt auf der Hand: Zwischenfälle im Lebensmittelbereich dringen heute viel tiefer ins öffentliche Bewusstsein als noch vor 15 oder 20 Jahren, sie werden offener thematisiert, nicht zuletzt über Social-Media-Kanäle. Die Standards seien nach oben gegangen. Die großen Lebensmittelkonzerne seien im Allgemeinen die Vorreiter, die Entwicklung laufe von der Spitze der Pyramide nach unten. Mittelständische Unternehmen zögen dann mit gewissem Abstand nach.

Doch nicht nur Konzerne setzen Maßstäbe, auch bestimmte Branchen, wie Bahr erläutert: „Die höchsten Ansprüche müssen traditio­nell in der Pharmaindustrie bedient werden. Die Methoden der Qualitätssicherung sind langsam, aber sicher von der Pharmaindustrie in den Lebensmittelbereich gewandert.“ Als Erstes habe sich dies auf die Methoden der Herstellung von Säuglings- und Babynahrung ausgewirkt. Dann wurden ähnliche Anforderungen für die Produktion in der Lebensmittelbranche allgemein definiert.

European Hygienic Engineering & Design Group (EHEDG)
Die EHEDG ist eine Expertengemeinschaft bestehend aus Fachleuten von Maschinen- und Komponentenherstellern, aus der Nahrungsmittelindustrie, von Forschungsinstituten und Gesundheitsbehörden. 
Die Organisation wurde 1989 in der Absicht gegründet, das Bewusstsein für Hygiene bei der Verarbeitung und Verpackung von Nahrungsmitteln zu stärken. Das Ziel der EHEDG ist, zur hygienegerechten Konstruktion und Gestaltung in allen Bereichen der Nahrungsmittelproduktion beizutragen und damit eine sichere Herstellung von Lebensmitteln zu gewährleisten. Die EHEDG unterstützt die europäische Gesetzgebung und deren Forderung nach hygienischer Handhabung, Verarbeitung und Verpackung von Nahrungsmitteln mit hygienegerechten Maschinen im hygienischen Umfeld. Weitere Informationen: www.ehedg.org

Insgesamt sei die Molkereiindustrie weiterentwickelt als andere Bereiche der Lebensmittelindustrie. Das liege daran, dass Milchprodukte mikrobiologisch viel empfindlicher als Pulverprodukte sind. Um das Restrisiko zu beherrschen, fänden hygienische Konzepte der Flüssigkeitsverarbeitung, wenn auch in abgewandelter Form, Eingang in Pulverprozesse. In Neuseeland kann das besonders gut beobachtet werden: 40 Prozent der Milchproduktion des Landes werden als Milchpulver exportiert, der Wirtschaftsfaktor hat dazu beigetragen, dass das Hygienic Design der neuseeländischen Milchpulverproduktion weltweit Maßstäbe setzt. Ein Beispiel: Normalerweise werden große Säcke von 25 Kilogramm bei der Abfüllung in verschiedenen Prozessschritten von oben gegriffen. In Neuseeland hingegen werden große Papiersäcke freistehend befüllt, was vermeidet, dass vom Greifer etwas in den Sack fällt.

Marc Mauermann bewertet die Entwicklung der letzten zehn Jahre als „sehr positiv“. Der stellvertretende Leiter des Institutteils Verarbeitungstechnik am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Dresden beobachtet, dass viele Firmen grundlegende Kriterien umsetzen. Einer der wichtigsten Aspekte sei, dass alle Bereiche der Maschine für die automatische und manuelle Reinigung leicht zugängig seien. Denn: „Maschinenbereiche, die durch automatische Reinigungsprozesse nicht erreicht werden können, werden nicht gereinigt!“

Die EHEDG entwickelt seit fast 30 Jahren Hygienic-Design-Richtlinien, aber was die umfängliche Anwendung dieser Standards bei Produktionslinien angeht, hat die Geschichte von Hygienic Design eigentlich gerade erst angefangen.“
Karl-Heinz Bahr, Berater bei Thales Consult Berlin und EHEDG-Mitglied 

Hygienic Design gilt für alle Player entlang der Wertschöpfungskette

Doch selbst wenn eine Maschine alle Hygieneanforderungen erfüllt, nutzt das nichts, wenn in anderen Prozessschritten Kontamination erfolgen könnte. Es muss daher immer der gesamte Prozess im Auge behalten  und die komplette Wertschöpfungskette betrachtet werden – und diese besteht aus Maschinenbauer, Verpackungsdienstleister, Packmittelhersteller und dem Kunden. Obwohl sich das Denken aller Beteiligten in die richtige Richtung bewege, bleibt laut Bahr noch eine Menge zu tun: „Die EHEDG entwickelt seit fast 30 Jahren Hygienic-Design-Richtlinien, aber was die umfängliche Anwendung dieser Standards bei Produktionslinien angeht, hat die Geschichte von Hygienic Design eigentlich gerade erst angefangen.“

 

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