Kontroverser Grüner Deal – Deutsche Verbände warnen vor Kunststoffsteuer

Am 27. Februar tagte der europäische Rat für Wettbewerbsfähigkeit unter anderem für eine Orientierungsaussprache zum European Green Deal. Das Strategie Papier sieht die Einführung einer Steuer auf nicht-recycelte Kunststoffe vor. Von dvi – Deutsches Verpackungsinstitut und IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen kommt Kritik.

in der Mitteilung der EU-Kommission „Der Europäische Grüne Deal“ heißt es: „Die Kommission hat vorgeschlagen, dass 25 Prozent der Ausgaben im Rahmen aller EU-Programme zur Verwirklichung der Klimaziele beitragen sollen. Auch auf der Einnahmenseite wird der EU-Haushalt einen Beitrag dazu leisten. Die Kommission hat neue Einnahmenströme („Eigenmittel“) vorgeschlagen, von denen ein Teil auf Zahlungen für nicht recycelte Verpackungsabfälle aus Kunststoff beruht.“ In Italien wurde ein solches Gesetz bereits verabschiedet, hier werden pro Kilogramm nicht-recyceltes Plastik 0,45 Euro an Steuern fällig. Für das europäische Äquivalent ist eine Steuer von 0,80 Euro pro Kilogramm im Gespräch.

Recycling-schwache Länder würden zur Kasse gebeten

Die Idee, das Nicht-Recyceln von Kunststoff zu bestrafen, erscheint auf den ersten Blick sinnvoll, wenn es denn zu höheren Recycling-Quoten führt. Dr. Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen äußerte hieran jedoch erhebliche Zweifel: „Die Abgabe wird sich insbesondere auf jene Mitgliedstaaten auswirken, die nur über geringe Kapazitäten für die Verwertung von Kunststoffen verfügen, da sie mehr zahlen müssen als diejenigen mit einer besseren Verwertungsinfrastruktur.“ Es gebe große Unterschiede in der Verteilung der Recyclingkapazitäten in Europa: So betrage laut PRE die gesamte Recyclingkapazität für starre Polyolefine, insbesondere HDPE und PP, 1,7 Millionen Tonnen. Italien hat die höchste installierte Kapazität für diese Ströme mit einer Rate von 25 Prozent, Deutschland 22 Prozent, Spanien 22 Prozent, das Vereinigte Königreich 15 Prozent und Frankreich 9 Prozent. Das bedeute, dass sich die übrigen Mitgliedstaaten die restlichen 7 Prozent teilen. Dies spiegele sich auch in den Gesamtraten der Verwertung von Kunststoffverpackungen in Europa wider: „Paradoxerweise wird die Abgabe also diejenigen Länder am stärksten betreffen, die beim Aufbau ihrer Recycling-Infrastruktur am meisten Unterstützung benötigen. Statt Unterstützung werden diese Länder gezwungen, unverhältnismäßig mehr zum allgemeinen EU-Haushalt beizutragen als andere“, so Engelmann.

Kim Cheng, Geschäftsführerin des dvi, vertritt die gleiche Ansicht. Nicht nur sei die Einführung einer solchen Kunststoffsteuer im Hinblick darauf, dass es für Kunststoff im Verpackungsbereich oftmals noch keine funktionierende Alternativen gebe, die den Produktschutz und die Lebensmittelsicherheit garantieren könnten, ein fataler Schritt. Erschwerend komme hinzu, dass just die Länder, deren Sammel‐, Sortier‐ und Wiederverwertungssysteme noch nicht so gut ausgebaut sind, die meisten Abgaben zahlen müssen, was den Aufbau der benötigten Recyclingstrukturen und ‐technologien deutlich erschweren werde.

Nicht Zweckgebunden

Dies ist vor allem der Fall, da die Einnahmen nicht zweckgebunden wären und so höchstwahrscheinlich nicht zur Verbesserung der europäischen Recyclingkapazitäten eingesetzt würden. „Die prognostizierten 6,6 Milliarden Euro werden ohne Zweckbindung im EU‐Haushalt verschwinden. Das macht überdeutlich, dass es bei dieser Steuer nicht um Umweltschutz und Nachhaltigkeit geht. Vielmehr wurde von Seiten der EU eine seit längerem ersehnte Gelegenheit genutzt, sich eigene Finanzmittel zu schaffen. Es scheint, dass man mit dem ‚Paria‘ Kunststoff nun ein willkommenes Opfer gefunden hat. Bezahlen muss das am Ende der Verbraucher,“ mahnt die dvi-Geschäftsführerin.

Engelmann teilt die Einschätzung des dvi, dass die Kunststoffsteuer Probleme für die Ausgestaltung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft bringe: „Die Industrie arbeitet hart daran, Kunststoffverpackungen besser recyclingfähig zu machen und den Einsatz von recycelten Materialien zu erhöhen. All dies kostet jedoch Milliarden von Euro. Wenn dieses Geld nun via Plastiksteuer den Unternehmen weggenommen und zum Stopfen von Löchern im EU-Haushalt verwendet wird, würde dies einen großen Rückschlag für die Kreislaufwirtschaft bedeuten.“

Doppelabgabe

Die neue Steuer führt nach dvi‐Ansicht darüber hinaus zu einer Doppelabgabe, da die Inverkehrbringer von Verpackungen schon jetzt für jede Verpackung Lizenzentgelte für die Entsorgung durch die dualen Systeme bezahlen. „Auch die Schaffung ökonomischer Anreize beispielsweise über ein Bonus‐Malus‐System, das sich nach der Recyclingfähigkeit der jeweiligen Verpackung richtet, ist dort bereits angedacht“, so Kim Cheng weiter. Der dvi fordere die verantwortlichen Akteure auf, die neue Steuer noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.

Am 5. März 2020 tagt der EU Umwelt-Rat. Hier wird es aller Voraussicht nach auch um den European Green Deal und die Finanzierung der Umsetzung der Klimaziele gehen. Ob die Maßnahmen inklusive der Kunststoffsteuer einstimmig angenommen werden, was Voraussetzung für ihre Implementierung ist, bleibt abzuwarten.

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