Neue Materialien schaffen neue Herausforderungen
Die Hersteller von Konsumgütern müssen ihre Verpackungen anpassen: Recyclinggerechtes Design ist eine zentrale Forderung des neuen Verpackungsgesetzes. Unter dem Titel „Neue Kunststoffe – Ist die Verpackungsindustrie bereit?“ diskutierten am ersten Messetag im Forum TechBox der FachPack Experten vor mehr als 100 Zuhörern über die Themen (Mono-)Material, Maschinen und Recycling.
„Seit Jahren war das Thema Nachhaltige Verpackungskonzepte nicht wichtig, jetzt herrscht ‚Chaos’, weil die wenigsten vorbereitet sind. 2019 ist das erste Jahr, wo wir mit unserer Expertise der letzten zehn Jahre Geld verdienen“, sagt Peter Désilets, Geschäftsführer der pacoon GmbH, Agentur für Verpackungsdesign und Nachhaltigkeit. Seine Firma berät Firmen, wie sie Verpackungen nachhaltiger herstellen können. Erst seit diesem Jahr, sagt er auf der FachPack, kommen die Firmen auch zu Workshops und lassen sich gezielt schulen.
Ob recyclingfähige Materialien, die bisherige nicht-recycelbare Multilayer ablösen können, oder auch andere Ansätze wie kompostierbare, Kunststoff-reduzierte Materialien wie Faser-Kunststoff-Mix: Sie werden verstärkt in den Markt kommen, sagt Désilets. Allerdings sei das Know-how im Mittelstand und selbst bei vielen Großunternehmen über Möglichkeiten noch sehr gering. „Das Wissen im Handel – bis auf wenige Ausnahmen – ist auch nicht vorhanden.“
„Die Branche ist getrieben von den Forderungen des Handels nach Recyclingfähigkeit für ihre Eigenmarken – selbst wenn nur einzelne Deutsche Handelsketten dies offiziell als Ziel ausgegeben haben.“ Es fehle den Markenherstellern an der klaren Strategie und Entscheidung, welchen Weg sie für ihre eigene Marke gehen möchten. Erst wenn dies kommt, ergeben sich auch Vorgaben für die Produktion von Handelsmarken. Und damit könnten die Brand Owner sich positionieren und differenzieren. Das Thema Rezyklat spiele im Handel beispielsweise kaum eine Rolle, außer bei der Drogeriekette dm, sagt Désilets. Er kritisiert, dass Einsparungen bei der Verpackung und nicht beim gesamten Prozess im Fokus stehen. „Für alle stehen immer noch die letzten Zehntel Cent Einsparung im Fokus – die 10 bis 20 Prozent Einsparung, die sich durch Prozessoptimierungen ergeben würden, werden gar nicht in Erwägung gezogen, weil es aufwändiger und ein Abteilungs-übergreifender Prozess ist.“
„Kunststoffverpackungen haben ein Imageproblem“
Christina Schulz, Projektmanagerin Nachhaltigkeit, Qualität und Umwelt von Duales System Holding GmbH & Co. KG bestätigt, dass die die Verpackungshersteller zunehmend stärker die Recyclingfähigkeit ihrer Produkte ausbauen wollen. „Sie kommen jetzt auch zu uns mit Fragen zu diesem Thema. Das war vorher nicht der Fall.“ Und sie sagt weiter: „Wir müssen die Chancen nutzen, die die Kreislaufwirtschaft bietet: Dies beginnt mit Design4Recycling.“ Kunststoffverpackungen hätten ein Imageproblem, denn sie lassen sich teilweise deutlich schlechter recyceln als andere. Das liege auch an der Gestaltung und Zusammensetzung der Verpackungen. „Ziel ist es daher, den Werkstoff kreislauffähig zu machen, Ressourcen zu sparen und Abfall zu vermeiden.“ Das gehe aber nur, wenn die Verpackungen entsprechend gestaltet sind. „Ohne recyclingfähige Verpackungen schaffen wir die hohen Recyclingziele für Kunststoff nicht. Kreislaufwirtschaft spart CO2 ein, schont wertvolle Ressourcen und schafft zukunftsfähige Arbeitsplätze. Wer dieses Potenzial ignoriert, agiert kurzsichtig.“
Niklas Rad, Team Leader Material Development bei RPC Bebo Plastik GmbH erklärt: „Zusätzlich zu den technischen und gesetzlichen Anforderungen an Kunststoffverpackungen wird der Aspekt der Nachhaltigkeit einer Verpackung immer wichtiger. Hier ist es als Hersteller von Verpackungen wichtig für die verschiedenen Ansätze der Verbesserung der Nachhaltigkeit technische Lösungen zu entwickeln. Ebenso ist eine Beratung unserer Kunden wichtig um für die jeweiligen Anwendungen gemeinsam die beste Lösung herauszuarbeiten. 80 Prozent unserer Kunden beschäftigen sich mit der Recyclingfähigkeit.“
Eine kritische Meinung zum Thema Neue Kunststoffe hat Kurt Stark vom Folienhersteller Buergofol GmbH. Monofolie sei ohne Frage sehr einfach herzustellen und recycelbar. „Es wird von unserer Seite aber stark bezweifelt, dass damit die bisher bekannten und auch erwarteten Anforderungen unserer Kunden vollumfänglich bedient werden können. Konkret: Unsere Kunden sind mit Monomaterial nicht zufrieden. Damit wird sich der Einsatz von Monofolien nur in Ausnahmefällen realisieren lassen und zwar genau dort, wo es Sinn macht. “
Stark: Lebensmittelhersteller gegen Recyclat-Einsatz in Verpackung
Stark fordert eine Unterscheidung bei den Anwendungsbereichen für den Einsatz von Recyclat. Der Einsatz von Recyclat ist laut Stark bei Non-Food-Verpackungen deutlich leichter möglich, da weniger Wert auf Sicherheitsaspekte gelegt werden muss. „Für die berühmte und viel zitierte Anwendung in der „Parkbank“ oder dem „Blumentopf“ kann Recyclat ja offenbar ohne weiteres verwendet werden. Aber das ist natürlich nicht genug. Vorstellbar ist der Einsatz von Folien mit Recyclat überall dort, wo die Sicherheit und Gesundheit des Menschen nicht beeinträchtigt werden.“ Hier könne er sich Anwendungen im Baubereich vorstellen und bei anderen industriellen und technischen Anwendungen, wo der Mensch nicht in Kontakt mit der Folie oder mit darin verpackten Inhalts kommt. Im Lebensmittelbereich sei der Einsatz schwierig, da Qualität und Haltbarkeit wichtig seien, die Monofolien nicht garantieren können. „In der Praxis werden außerdem mit Einsatz von Recyclat gewisse Abstriche in der Qualität zu machen sein. Das wird sich umso mehr äußern, je öfter das Recyclat im Kreis geführt wird und wiederverwertet wird.“
Über Sinn und Unsinn von kompostierbarem Biokunststoff
Außerdem nütze es nichts rezyklierbares Material zu verwenden, wenn der Verbraucher die Verpackungsteile nicht auseinandernimmt, bevor er sie entsorgt, so Stark. Schafft Bio-Kunststoff neue Probleme? Welche Bio-Kunststoffe haben eine Perspektive? fragt Moderatorin Susanne Blüml in die Runde. „Kompostierbarkeit ist Blödsinn. Nachwachsbare Rohstoffe sind gefragt“, meint Stark. An diesem Punkt geben ihm die Podiumsteilnehmer zum Teil Recht. „Die Kompostierbarkeit von Bio-Kunststoffen ist die schlechteste Recyclinglösung“, sagt Schulz. Der Verbraucher denke beim Stichwort kompostierbar zudem fälschlicherweise, dass die Verpackung im Gartenkompost entsorgt werden könne, dabei sei industrieller Kompost gemeint. Aus der Image-Perspektive sei kompostierbar allerdings eine positive Eigenschaft, die die Hersteller bewusst haben wollen, wirft der Agentur-Chef Désilets ein. Er fordert eine konkrete Benennung, um welche Art von Biokunststoff es sich handelt. Letztendlich aber sagt auch er: Deutschland ist nicht der Markt für kompostierbaren Biokunststoff.
Die Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister veröffentlicht jährlich einen „Mindeststandard zur Bemessung des recyclinggerechten Designs von Verpackungen.“ Dieser steht in der Kritik von Unternehmen wie Buergofol und Südpack, die Mehrschichtfolien-Verpackungen mit funktionalen Polyamid-Schichten herstellen. Sie fordern vom Umweltbundesamt, der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister und der Bundesregierung eine andere Kennzeichnung von flexiblen Folien mit Polyamid-Schicht. Der Mindeststandard kennzeichnet die flexiblen Folien mit Polyamid-Schicht als recycling-unverträglich. Damit werde der Eindruck erweckt, dass diese Folien nicht umweltfreundlich seien, kritisiert Stark. Als Folienhersteller könne er mit diesen Vorgaben nichts anfangen. Er fordert klarere Vorgaben von der Politik. Sie werden kommen, sagt Schulz. Allerdings sei die Frage, ob man mehr Verbote wolle.
Zum Hintergrund: Laut gesetzlicher Regelung muss die Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister zum 1. September eines jeden Jahres im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt einen „Mindeststandard zur Bemessung des recyclinggerechten Designs von Verpackungen“ veröffentlichen. Adressaten sind die dualen Systeme, die auf der Basis dieses Mindeststandards die Systembeteiligungsentgelte berechnen müssen. Matthias Fabian, des Leiter des Sachgebiets „Vollzug Verpackungsgesetz“ beim Umweltbundesamt, erklärt auf Anfrage, dass der Mindeststandard allein die Ermittlung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen zum Gegenstand haben soll, die als Abfall typischerweise bei privaten Endverbrauchern anfallen, im Regelfall über die Sammlung der dualen Systeme gesammelt und im Anschluss von den Systemen sortiert und verwertet werden. Die Recyclingfähigkeit sei dabei eine graduelle Eigenschaft, die nur für eine konkrete Verpackung als Ganzes bestimmt werden könne und unter den tatsächlichen Marktbedingungen für Verpackungsabfälle bestimmt werden müsse. Insofern komme es maßgeblich darauf an, dass für eine Verpackung in der Praxis geeignete Sortier- und Recyclingpfade bestehen, erklärt Fabian. Er betont: „Weitere Aspekte einer ökologischen Verpackungsgestaltung sind entsprechend der gesetzlichen Vorgabe nicht Gegenstand des Mindeststandards.“
Dr. Kurt Stark, Director Business Development, Buergol GmbH, spricht auch beim unabhängigen Verpackungskongress PACKAGING360°, der vom 28. bis 29. November 2019, im Hilton in Frankfurt stattfindet. "Warum künftig weder Retail noch FMCG das Thema Nachhaltigkeit ignorieren können" lautet das Thema einer Podiumsdiskussion am zweiten Kongresstag. Mit Stark diskutieren Olaf Dechow von der Otto Group, Jürgen Dornheim von Procter & Gamble, Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe und Willibald Kaltenbrunner von Denkstatt. Mehr Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie hier.