Keine EM, aber Fußball auf der Verpackung

Wer zum Abverkauf seiner Impulsartikel auf Sportevents setzt, spielt immer auch ein bisschen Roulette: Patzen die Helden, bleiben die Artikel in den Regalen liegen. Doch dass Großevents wie die Fußball-EM abgesagt werden, ist neu und trifft nicht nur Markenartikler.

Zur Fußball WM-2018 hatten LEH und die FMCG-Industrie unzählige Aktionsprodukte und WM-Sondereditionen aufgeboten, dann schied die deutsche Elf in der Vorrunde aus und die WM war auch als Impulsgeber gelaufen. Doch sportliche Großveranstaltungen haben nach wie vor ihren Reiz, und so gab es auch diesmal wieder zahlreiche Pläne für entsprechend ausgerichtete Aktionen und Promos.

Doch spätestens als die Bundesliga sagte, “wenn die EM stattfindet, werden wir auf gar keinen Fall die Meisterschaft zu Ende spielen können”, wurde langsam klar, dass es wahrscheinlich mit der EM nichts wird – die nationalen Ligen haben allemal größere Bedeutung als der einmalige Event. Und so kam die Absage dann nicht vollkommen überraschend. Coca-Cola, Sponsor der UEFA EURO 2020, hatte zum Zeitpunkt der Absage noch keine Aktionspackungen befüllt und ist zuversichtlich, einen Großteil der geplanten Maßnahmen 2021 umsetzen zu können.

EM-Absage trifft Brauereien hart

Für Brauereien wie Bitburger und Warsteiner, die 2018 durch das frühe Aus des amtierenden Weltmeisters Einbußen erlitten hatten, war nicht nur die Absage der EM ein heftiger Schlag. Andreas Grathwohl, Geschäftsführender Gesellschafter von Schoepe Display, kann die Befindlichkeiten durch Aufträge für Displays recht gut einschätzen. Er weiß, dass die Bierbranche seit Jahren leidet und wahnsinnig sensibel auf jegliche Störungen am Markt reagiert. „Für sie hat die Corona- Krise jetzt dramatische Folgen: Gastronomie geschlossen. Events abgesagt. Keine Volksfeste, keine Open-Air-Konzerte, kein Sport. Versteht sich, dass wir in diesem Bereich überhaupt keine Geschäfte mehr machen.“ Auf die Frage, wie weit die Vorbereitungen von EM-spezifischen Promotions bereits gediehen waren, wollte sich weder der langjährige DFB-Sponsor Bitburger noch Warsteiner äußern.

Möglicherweise waren hier wie bei Coca-Cola noch keine Promos konkret auf den Weg gebracht. Im Bereich der Snacks und Süßwaren sah das anders aus. Hier kam die Absage für das auf den Endverbraucher abzielende Marketing zwar noch rechtzeitig, doch zum Zeitpunkt der Absage waren Aktions-Verpackungen, Folien und Kartonage schon produziert, heißt es aus einem Unternehmen, das anonym bleiben will. Die Absage sei zu spät gekommen und somit ein gewisser Schaden entstanden. Allerdings hoffe man, ein Teil der Verpackungen auch im nächsten Jahr noch nutzen zu können.

Milka kommt im Fußball-Design

Etwas anders stellt sich die Situation bei Mondélez dar. Hier waren für den Zeitraum der Euro 2020 eine Aktivierung im Einzelhandel rund um das Thema Fußball mit limitierten Packungseditionen und einem zugehörigen Gewinnspiel geplant, die nunmehr nicht stattfinden könne. Als die Verschiebung der Euro 2020 von der UEFA bestätigt wurde, waren jedoch die Produkte bereits produziert. „Das Abfallaufkommen bei einer möglichen Vernichtung der Produkte war für uns keine Option“, heißt es aus dem Unternehmen, Konsumenten sollten nicht überrascht sein, wenn sie für die kommenden Wochen ausgewählte Milka Sorten in einem speziellen Outfit sehen. So werden Milka Tafelschokolade mit Fußball-Design in den Sorten Milka & Oreo sowie Milka Oreo Sandwich beziehungsweise die limitierte Editionen der Milka Großtafel in den Sorten Schoko & Waffel und Champiolade im Handel erhältlich sein.

Für Christiane Schulz, CEO der PR-Agentur Edelman Deutschland, ist die Verlegung der EM eine Chance: Zwar falle sie jetzt als Umsatzbringer aus. Doch die Krise sollte „von den Marken und Produkten als große Chance genutzt werden, die EM-Vorfreude zu verlängern“, zitiert sie die Lebensmittel Zeitung.

Die Promo einfach verlängern

Der Sport Marketer Raphael Brinkert schlägt in die gleiche Kerbe und streicht heraus, wie das Außerordentliche der Situation zu außerordentlichen Maßnahmen führe: So seien die Panini-Hefte mit Sammelbildern für die Euro 2020 schon im Druck gewesen, das Verschieben der Euro 2020 habe den Verlag in Italien vor eine große Herausforderung gestellt. Der Verlag habe reagiert, indem er das Heft dennoch, wenn auch in anderer Auflage, in den Handel bringe. „Treue Sammler dürfen sich also bald über ein Euro-Heft freuen, das es so hoffentlich nie wieder geben wird“, so Brinkert.

Ähnlich ergehe es Sponsoren, deren Aktionspackungen schon längst konfektioniert oder sogar im Handel waren: So habe Heineken die Promo zum neuen James Bond Film, der eigentlich am 4. April starten sollte, dann aber auf November verschoben wurde, einfach beibehalten: Das Six-Pack bleibt im Handel erhältlich, der Promo-Zeitraum sei einfach verlängert worden.

Was sind die Lehren aus den Absagen der großen Events dieses Jahres? „Sich nicht hundertprozentig auf die Einkünfte aus großen Events zu verlassen, nicht nur auf ein Pferd zu setzen, könnte eine Lehre aus 2020 sein“, sagt ein Marktinsider. Es habe sich als gut erwiesen, eher breit gestreut aufgestellt zu sein. Dass eine breite Aufstellung Vorteile habe, sei  eine alte Weisheit, die viele Leute, die jetzt sehr stark leiden, vielleicht in Zukunft wieder aufleben lassen.

Planungsunsicherheit wird bleiben

Sportmarketer Brinkert glaubt, dass Ausfallversicherungen und Exit-Möglichkeiten bei Veranstaltungen aller Art noch stärkere Berücksichtigung finden werden. Andererseits zeige die Krise auch, wie wichtig in diesem Segment offene Kommunikation und Transparenz sei: „Wir müssen wieder vermehrt lernen, dass Partnerschaften nicht erst mit der Vertragsunterschrift beginnen.“

Die Unwägbarkeiten, die eine sichere Planung unmöglich machen, werden noch eine Weile zum Geschäft gehören, ist Andreas Grathwohl überzeugt. Der Display-Hersteller geht nicht davon aus, vor Ablauf der nächsten 12 Monate wieder zu einem alten Normal zurückkehren zu können.

„Und weil es dieses Jahr keinen Impfstoff geben wird, wird es in diesem Jahr auch keine großen Veranstaltungen mehr geben. Dies wird ein länger anhaltender Zustand sein, denn Veranstaltungen mit mehreren tausend Personen werden nicht zu verantworten sein. Keine Marathons, keine EMs, keine WMs. Wer wie Handball und Eishockey von den Zuschauern lebt, ist eigentlich tot. Und damit sind auch alle betroffen, die in diesem Kontext Geschäfte machen.“

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