„Unverpackt ist für mich keine Zukunfts-Mission“

Den Wert von Verpackungen nicht zu unterschätzen, empfiehlt Barbara Siegert, Food- und Packaging-Expertin bei der Unternehmensberatung Munich Strategy. Schutz- und Informationsfunktionen sollten nach ihrer Einschätzung trotz wachsender ökologischer Anforderungen nicht unter den Tisch fallen.

In Ihrer Studie „Food & Packaging beyond Corona“ stellen Sie fest, dass die Corona-Pandemie die Wertschätzung für die Schutzwirkung von Verpackungen erhöht hat. Lässt sich daraus ableiten, dass Verbraucher wieder „mehr Verpackung“ wollen?

Der ökologische Aspekt von Verpackungen bleibt für die Verbraucher weiterhin wichtig. Es hat sich zwar gezeigt, dass die Schutzfunktion von Verpackungen in Zeiten von Corona stärker wahrgenommen wird. Das wissen wir aus Gesprächen mit Händlern und der Verpackungswirtschaft. Allerdings müssen wir auch klar feststellen: Frisches Obst und Gemüse sind im Handel ein Wachstumssegment. Hier werden trotz Corona deutliche Zuwächse in der unverpackten Ware verzeichnet. Und das liegt neben dem Trend zu mehr Frische auch am übergeordneten Trend, dem ökologischen Aspekt von Verpackungen. Der ist der Treiber.

Zur ökologischen Dimension von Verpackungen gehört aber auch ihre Schutzfunktion für die Lebensmittel. Stichwort Foodwaste…

Gibt es keine Verpackung, gibt es auch keinen Schutz. Die Frische geht schneller verloren, die Ware ist anfälliger für Mängel – eine gleichbleibende Qualität schwerer regulierbar. Für den Handel ist die Vermeidung von Foodwaste ein sensibles Thema, über das er sich zunehmend positioniert. Die Frage ist für mich aber eben keine Entscheidung zwischen „verpackt“ oder „unverpackt“. Es geht um eine Transformation in Richtung nachhaltigere Verpackungslösungen. Die Lösung liegt daher nicht im stetigen Schrumpfen der Verpackung bis auf null. Hersteller, Händler und Verpackungsspezialisten müssen sich an einen Tisch setzen und alternative Verpackungen diskutieren. Die ökologischen Aspekte müssen berücksichtigt werden, aber den Mehrwert der Verpackung sollte man nicht verschenken. Unverpackt ist für mich keine Zukunfts-Mission.

Welche Funktionen machen Verpackungen aus Ihrer Sicht unersetzlich?

Neben dem Schutz der Lebensmittel und der Hygiene zum Beispiel auch ihre Funktion als Informationsträger: Die ist gerade für Markenartikler wichtig. Wenn etwas unverpackt ist, gibt es keine Informationen zur Herkunft des Produkts oder zur Haltbarkeit. Darüber hinaus ist der Anspruch der Markenhersteller, gleichbleibende Qualität anzubieten. Wenn das Produkt nicht durch eine Verpackung geschützt ist, ist eine gleichbleibende Qualität kaum zu versprechen. Je stärker die Marke, umso schwerer sind Unverpackt-Konzepte zu realisieren. Verpackungen können den Verbraucher auch zur Interaktion mit dem Herstellerunternehmen einladen, etwa über QR-Codes und entsprechende digitale Angebote. Ich sehe in sogenannten „intelligenten Verpackungen“ wie beispielsweise dem „Digi Code“, der über Bilderkennung die sortenreine Mülltrennung und Weiterverarbeitung ermöglicht, perspektivisch die Chance, die Kunststoff-Kreislaufwirtschaft auf eine ganz neue Basis zu stellen.

Ökologischere Verpackungen verlangen Innovationen. Die aber kosten Geld. Wer zahlt?

Im Großen und Ganzen sehen wir beim Verbraucher keine Bereitschaft, für ökologische Verpackungslösungen mehr zu bezahlen. Gerade deutsche Verbraucher sind extrem preissensibel. Im Lebensmittelhandel dominiert der Preiskampf. Viele Produkte sind eng kalkuliert. Deshalb sehe ich dafür auch keine große Investitionsbereitschaft im Handel, selbst wenn dort hohe Anforderungen mit Blick auf die Nachhaltigkeit gestellt werden und man sich gern über das Thema profiliert. Innovative Verpackungslösungen brauchen eine kritische Masse, um wettbewerbsfähig angeboten werden zu können. Treiber muss aus unserer Sicht daher die Industrie sein. In der Industrie und bei den Packmittelherstellern sehen wir durchaus eine Bereitschaft, in nachhaltigere Lösungen zu investieren. Wir glauben, dass Plattformlösungen und eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten der aussichtsreichste Weg sind, etwas zu bewegen – zum Beispiel, um Lösungen für einen etwaigen Rezyklat-Einsatz auch bei Lebensmitteln zu finden.

Wie sieht die Zukunft von „Unverpackt“ aus?

„Unverpackt“ bleibt nach meiner Einschätzung eine Nische für ein spezielles Zielpublikum. Die Möglichkeiten für verpackungsfreie Produkte sind begrenzt. Was die Produktkategorien betrifft, sehe ich das Thema zudem eher im Segment „Care“ als bei „Food“. Bei den Abfüllstationen, die inzwischen auch in vielen Supermärkten angeboten werden, geht es eigentlich ausschließlich um Trockenprodukte. Hygiene und Produktsicherheit sind mit Unverpackt-Konzepten einfach schwer zu gewährleisten.

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