Der Mythos um den Joghurtbecher

Das Deutsche Verpackungsinstitut (dvi) führte am 10. Juni 2021 zum 7. Mal den „Tag der Verpackung“ durch. Auf dem Programm stand unter anderem ein Fachpanel unter Beteiligung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sowie führender Vertreter von Coca-Cola Deutschland, Duales Holding System, Huhtmaki und NABU.

Im Fokus der virtuellen Diskussionsrunde standen beim „Tag der Verpackung“ vor allem die Fragen, was das Verpackungsgesetz gebracht hat und welche Novellierungen kommen sollten. Das Deutsche  Verpackungsinstitut (dvi), die Arbeitsgemeinschaft Verpackung + Umwelt e.V. (AGVU) sowie die  Initiative  Gelbe  Tonne (geTon) hatten zur Debatte eingeladen. Als jahrelanger Abgeordneter habe er immer gedacht, es gäbe nichts Komplizierteres als das Erbschaftssteuergesetz, sagte Florian Pronold, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesumweltministeriums. „Aber es kann komplizierter werden, hat das Verpackungsgesetz gezeigt.“ Das deutsche Verpackungsgesetz setzt die europäische Verpackungsrichtlinie 94/62/EG in deutsches Recht um. Es regelt das Inverkehrbringen von Verpackungen sowie die Rücknahme und hochwertige Verwertung von Verpackungsabfällen. Die Corona-Pandemie habe das Verpackungsaufkommen erhöht, so Pronold. Zudem stellten viele Handelsketten Mindestanforderungen an Verpackungen, sodass auch die Anforderungen wachsen.

Staatssekretär: Verpackungsdesign vereinfachen

Mit dem Verpackungsgesetz und seinen Novellierungen seien die Recyclingquoten erhöht worden. „Ich bin froh zu sehen, wie seitdem mit dem Ziel, die Recyclingquoten zu erfüllen, Abfallverwerter und Hersteller von Verpackungen in den Dialog getreten sind und Lösungen gefunden haben.“

Aus Sicht der Verbraucher müsse aber auch die Industrie ihre Verpackungen besser gestalten, sodass noch mehr Recycling möglich werde. „Die Menschen ärgern sich, wenn sie Müll trennen, aber ein großer Teil in der Verbrennung  landet“, sagte Pronold vor rund 180 Zuhörern des virtuellen Panels. „Verpackungsdesign sollte so einfach sein, dass Verbraucher das Trennen hinbekommen. Da ist noch Spielraum.“

Dr. Dominik Klepper, Vorstandschef der AGVU, fügte hinzu, dass die Wirtschaft bessere Recyclingbedingungen bereits schaffe. Für Sortierprozesse seien zum Beispiel digitale Wasserzeichen in Verpackungen eingebaut worden.

Andreas Michalsky, Verpackungsingenieur beim Verpackungshersteller Huhtamaki, erklärte, dass sich beim Thema Kreislaufwirtschaft derzeit viel bewege. „Wir erleben eine nie zuvor dagewesene Bereitschaft, etwas zu verändern – vom Rohstoff bis hin zum Recycling.“ Bei der Genauigkeit der Sortierung von Kunststoffabfall sei „noch Luft nach oben.“ „70 Prozent der Verpackungen sind heute schon recyclingfähig, weitere 20 Prozent können bis 2025 umgestellt werden.“ Es bleibe ein kleiner Rest von derzeit nicht recyclingfähigen Verpackungen, der nicht von heute auf morgen umgestellt werden könne und auch seine Berechtigung habe – zum Beispiel sei eine Veränderung bei pharmazeutischen Verpackungen sensibel.

Welche Rolle spielen die Verbraucher? Diese Frage kam immer wieder auf. Helmut Schmitz vom Dualsystem Der Grüne Punkt erklärte, der Verbraucher müsse stärker zur Trennung von Abfall „aktiviert“ werden. Dem stimmte auch Claudia Fasse von der Initiative Gelbe Tonne (geTon) zu und wurde deutlicher: „Die Verbraucher sind verloren. Sie brauchen mehr Erkenntnisse, was in die Gelbe Tonne kommt.“ Sie entscheiden über den Kauf einer Verpackung und sind auch zuständig für die Vorsortierung. „Der Joghurtbecher, der wieder zum Joghurtbecher wird, ist ein Mythos.“ Man müsse besser kommunizieren, was mit den Produkten nach dem Recycling passiert. Wenn aus einer Lebensmittelverpackung eine Verpackung für Reinigungsmittel oder ein Blumentopf hergestellt werden könne, dann sollte man verstärkt von diesen Lebenszyklen berichten.

Coca-Cola-Experte: Rezyklat derzeit kostbar

Uwe Kleinert, Leiter Nachhaltigkeit bei Coca-Cola Deutschland, erklärte, dass der PET-Rezyklateinsatz im Unternehmen in Deutschland bis Ende des Jahres bei 70 Prozent liegen werde. PET-Rezyklat sei am Markt derzeit sehr gefragt, daher „wünschen wir uns, dass PET von Getränkeflaschen für Getränkeflaschen verwendet wird.“ Wenn dann noch etwas übrig bleibe, könne es für andere Produkte Verwendung finde. Aber derzeit sei die Ware knapp.

Sascha Roth vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) befürwortet die Anstrengungen der Unternehmen, mehr Rezyklat einzusetzen. Sein Ziel sei aber mehr verpackungsfreie Systeme zu etablieren. Auch er beobachte, dass nur wenig Verbraucher den besagten Joghurtbecher wirklich trennen, also zum Beispiel die Papiermanschette vom Kunststoffbecher abnehmen. „Man muss das Produktdesign gut machen. Wir brauchen mehr Monoverpackungen.“ Dickes Monomaterial ist fürs Recycling besser, ergänzte Michalsky. „Wir haben einen Konflikt: Wenn ich das Verpackungsgewicht reduziere, verliere ich ein Stück Recyclingfähigkeit“, fasste Schmitz zusammen.

Einig waren sich alle Diskussionsteilnehmer, dass die Herausforderungen durch die EU-Richtlinien in Deutschland zu bewerkstelligen seien. Das Verpackungsgesetz habe wichtige Vorgaben der Europäischen Kommission umgesetzt. Auch die Corona-Pandemie habe gezeigt: „Für die Verpackungsindustrie gibt es keinen Lockdown“, sagte Kim Cheng, Geschäftsführerin des dvi, die das Panel moderierte.

Eine Auswahl moderner Verpackungslösungen zeigen die Hersteller und Markenunternehmen zum Tag der Verpackung in einer Online-Ausstellung auf der Webseite tag-der-verpackung.org.

von Anna Ntemiris