Kleine Happen, große Umsätze

Immer mehr Deutsche snacken sich durch den Tag und greifen im Handel bevorzugt nach ihren Lieblingsmarken in kleineren Darreichungsgrößen. Die Hersteller versuchen, mit nachhaltigen Verpackungen gepaart mit Convenience beim Verbraucher zu punkten.

von Karen Gellrich

Der Gatte ist Vielflieger. Seine berufsbedingt katastrophale Ökobilanz führt oft zu hitzigen Diskussionen im Freundeskreis. Nur den Kindern ist der ökologische Fußabdruck ihres Vaters ziemlich egal. Sie freuen sich über die vielen salzigen und süßen Snacks, die Papa ihnen von seinen Geschäftsreisen mitbringt. Ein Blick in den heimischen Küchenschrank gibt mittlerweile einen guten Überblick, was die Industrie an Müsli-, Hafer-, und Nussriegeln, Schokokeksen und Knabberzeug im Miniformat zu bieten hat: In den gesammelten Vorräten finden sich unter anderem der Hafer-Snack Cereola, die Waffelschnitten Manner Sticks Mignon, Milka Nussini und Kitkat. Und last, but not least Müsliriegel von Corny & Co.

„Alles wird immer mehr Convenience, alles wird immer kleiner verpackt. Von jedem Produkt gibt es noch einmal eine Snack-Variation und logischerweise immer mehr Müll – das lehne ich ab“, sagt Uwe Melichar, geschäftsführender Partner bei Factor Design in Hamburg und dort für den Bereich Packaging verantwortlich. Er sei immer wieder überrascht, dass Snacks mit bloßem Spielfaktor wie die Babybel-Käseschnecken oder Nutella für unterwegs (B-ready) auf dem Markt überhaupt funktionierten. Schließlich müssten Snack-Produkte einen Mehrwert haben und vielfältigen Verbraucheransprüchen genügen. Und Mehrwert sollte der Konsument doch eher mit Attributen wie gluten-, laktose- und gentechnikfrei oder mit einer wiederverschließbaren Verpackung im Sinne einer „sustainable convenience“ verbinden. Das ist aber offensichtlich der große Trend im Verpackungsmarkt. Gleichzeitig laufe die aktuelle Entwicklung zu immer kleineren Verpackungsgrößen diametral gegen das gestiegene Umweltbewusstsein und das Bemühen, Plastikmüll zu vermeiden. „Warum gibt es in Deutschland keine wiederverschließbare Kartoffelchips-Tüte?“, fragt der Agenturmann, der sich als Präsident der European Brand & Packaging Design Association auch im internationalen Verpackungsmarkt auskennt. Durch Wiederverschließbarkeit sei eine Portionierung problemlos auch in größeren Gebinden möglich.

Schwieriger Spagat zwischen Trend zur Convenience und Nachhaltigkeitszielen

Die Deutschen snacken indes gesünder als vermutet. Das zeigt eine europaweite Umfrage, die Degusta Box Ende vergangenen Jahres in fünf verschiedenen europäischen Ländern durchgeführt hat. Demnach greift etwa die Hälfte der Deutschen in erster Linie zum Obst, wenn der kleine Hunger kommt. Rewe to go greift diese Vorliebe auf und verkauft 200 Gramm vorportionierte Melonenwürfel in rund 17 Gramm Einwegplastik. Das kommt bei Umweltschützern schlecht an. Die verzehrfertig geschnittenen Melonenstücke wurden zusammen mit einem in Plastik verpackten Stück Apfelkuchen von Lidl und portionsweise abgepackten Haribo-Gummibärchen von der Deutschen Umwelthilfe mit einer Nominierung für den Negativpreis Goldener Geier 2019 abgestraft. Rewe erklärt dazu, bei einem verzehrfertigen Snack mit Verbrauchsdatum sei eine Verpackung „unumgänglich“. Dabei gehe es um Fragen der Hygiene und Frische sowie des Transports.

Materialeinsparungen und Lebensmittelsicherheit, das sind nur zwei der vielen Themen, mit denen sich Entscheider und Stakeholder aus der Verpackungsbranche beschäftigen müssen. Jeden Tag kommen neue Verpackungsinnovationen auf den Markt. Verpackungshersteller Pöppelmann Famac
aus Lohne und die Merulin Gartenbauservice GmbH & Co. KG, Geldern-Walbeck, haben beispielsweise gemeinsam eine neue Verpackung für Snack-Tomaten entwickelt, die bei unveränderter Leistungsfähigkeit in Sachen Produktschutz, Automation, Logistik und Marketingtauglichkeit Materialeinsparungen von bis zu 30 Prozent ermöglichen soll. Der transparente Kunststoffeimer mit farbigem Bügel und einem Fassungsvermögen von 870 Milliliter wird im Spritzgießverfahren gefertigt. Mit ihrem Gewicht von nur 21 Gramm sei die Verpackung deutlich leichter als ihre vollflächigen Vorbilder. Dennoch soll der Eimer die erforderliche Stabilität und Maschinengängigkeit aufweisen. Die Gitterstruktur ermögliche außerdem eine bessere Belüftung des Lebensmittels bei gekühlter Lagerung.

Hersteller reagieren mit innovativen Verpackungslösungen auf Snack-Boom

Mit der Markteinführung der ersten Behälter aus Pappe mit Topseal unterstreicht BelOrta ihr Engagement für Nachhaltigkeit. Die Behälter stehen mit dem Start eines neuen „Happy Snacking“-Angebotes in Verbindung, mit dem das belgische Unternehmen auf die steigende Nachfrage nach gesunden Produkten zum Naschen zwischendurch und unterwegs reagiert. Angeboten werden Himbeeren, Blaubeeren und Brombeeren, die mitgenommen und überall gegessen werden können. „Mit der Einführung dieser neuen Pappschalen unterstreichen wir die absolute Aufmerksamkeit, die wir diesem Thema widmen. Der Trend dass Verbraucher eine veränderte Sichtweise auf Kunststoff haben, ist seit langem unverkennbar“, meint Jo Lambrecht, Manager Sales & Marketing. BelOrta sei daher bestrebt, innovative Verpackungslösungen zu entwickeln, die sowohl gut für die Umwelt als auch attraktiv für das Auge sind. Neben Obst snacken die Deutschen laut Degusta-Box-Umfrage auch Süßes (48 Prozent) und knusprige Snacks beziehungsweise Chips (43 Prozent). Nach Angaben des Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) steigt international die Nachfrage nach süßen und salzigen Snacks: „Das britische Marktforschungsinstitut Euromonitor International prognostiziert für Deutschland im Zeitraum 2018 bis 2023 einen Zuwachs von 8,5 Prozent auf 941.000 Tonnen. Von diesem Trend profitieren nicht nur die Hersteller von Faltschachteln, sondern gerade auch die von flexiblen Verpackungen und hier insbesondere von Standbodenbeuteln“, sagt Vera Fritsche, Referentin im VDMA Fachverband Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen.

Digitaldruck profitiert vom Snack-Boom

Optimistisch ist Horst Bittermann, Präsident der Europäischen Vereinigung der Kartonindustrie Pro Carton: „Unsere Branche wird sich in den nächsten Jahren weiter positiv entwickeln und zwar deutlich über den jährlichen Wachstumsraten der EU. Verpackungen werden mehr denn je gebraucht, um Produkte und Umwelt zu schützen, aber auch, um die verpackten Produkte zu verkaufen.“ In immer mehr Produktgruppen tauchen Erweiterungen der Produktlinien auf, die sich mit Beschreibungen wie Snack, portioniert, Small-bite oder Mini als schnelle Zwischenmahlzeit positionieren. Ruth Hemsing, Süßwarenexpertin bei The Nielsen Company Germany GmbH in Frankfurt, stellt fest: „Marken zeigen mit neuen Listungen und Varianten starker Artikel eine erfreuliche Performance. Vor allem kleine Hersteller und Start-ups sprechen mit Trendthemen wie Bio, Fairtrade, Portionskontrolle, Snacking oder Personalisierung eine wachsende Nische unter den Verbrauchern an.“ Und diese Nische scheint auch für Maschinenhersteller lukrativ: „Der Digitaldruck profitiert stark vom Snack-Boom und den dadurch bedingten Marktanforderungen. Denn die Lebenszyklen eines Produktes werden immer kürzer, die Timeto-Market immer schneller und die Auflagen immer limitierter“, erklärt Jörg Hunsche, Market Development Manager bei der HP Deutschland GmbH in Böblingen. So können beispielsweise in einem Druckvorgang via Digitaldruck unterschiedlich große Verpackungen produziert, individuell bedruckt und in kleinen Auflagen hergestellt werden. Bei Einführungskampagnen ist das ein effizienter Weg, um neue Produkte zu präsentieren.

Als Reaktion auf den boomenden Snack-Markt hat Nestlé seine Süßwarensparte neu organisiert. Der Schweizer Konzern hat das bestehende Geschäft mit Schokoladenprodukten um den Geschäftsbereich „Healthy Snacking“ ergänzt. Darüber bietet der Lebensmittelgigant eine Reihe von Snacks an, wie zum Beispiel
die neuen YES! Frucht- und Nussriegel. Die Riegel gibt es in einer Papierverpackung, die wie jede Tageszeitung über die Altpapiersammlung wiederverwertet werden kann. Nestlé nutzt dabei nach eigenen Angaben als erster Anbieter die sogenannte „High-Speed Flow Wrap“-Verpackungstechnik, die bisher Kunststofffolien und Laminaten vorbehalten war. „Diese technische Innovation ermöglicht es, recyclingfähige Papierverpackungen in großem Umfang zu verwenden und dabei die Qualität der Produkte über den gesamten Haltbarkeitszeitraum sicherzustellen“, sagt ein Sprecher. So weit ist das Start-up Foodloose in Hamburg noch nicht. Obwohl das Trendthema Bio eine Herzensangelegenheit der beiden Gründerinnen Katharina Staudacher und Verena Ballhaus-Riegeler ist und ihre Bio-Snacks ohne Zusatzstoffe, Aromen und Industriezucker auskommen, haben sie für die Verpackung noch nicht die optimale Lösung gefunden: „Die richtige Verpackung für unsere Nussriegel und Fruchtherzen zu entwickeln, ist ein hochkomplexes Thema, mit dem wir noch längst nicht zufrieden sind“, gesteht Staudacher.

Öffnen, entnehmen, verschließen, entsorgen. Verbraucher erwarten, dass das einfach und und problemlos zu bewältigen ist. Genau diese Verbrauchererwartung nutzen Handelsmarken, um gegenüber Markenartikeln einen Vorsprung zu erzielen. Verpackungs-Convenience ist somit zu einer Domäne der Handelsmarken geworden. Dazu Christian Schiffers, Geschäftsleitung Fachverband Faltschachtel-Industrie: „Snacks brauchen Verpackungen, die dem Verbraucher bei der Entnahme und dem Konsum des Produktes helfen, die eine Wiederverschließbarkeit und Sichtbarkeit des Produktes gewährleisten. Das alles sind Attribute, die Faltschachtelhersteller anbieten können und die für den Kunden Convenience schaffen.“

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