Haltung oder Konsum: Wie sich Marken positionieren

Immer mehr wird nach der Haltung einer Marke gefragt, sei sie sozial, ökologisch oder politisch ausgerichtet. Wie sich Haltungs- von Konsummarken unterscheiden, weiß Alexander Glück, Geschäftsführer Brand Consulting in der Werbeagentur Pahnke GmbH & Co. KG. Sein Fazit: Es muss nicht immer Entweder-oder sein.

Wer an eine Marke mit starker Haltung denkt, kommt vermutlich schnell auf Frosch. Dabei ist die Marke für Reinigungs- und Pflegemittel gar keine reine Haltungsmarke, sondern eine Konsummarke mit starker Haltung. „Es gibt nur ganz wenige konkrete Haltungsmarken”, erzählt Alexander Glück von der Werbeagentur Pahnke GmbH & Co. KG. Er führt den Bereich Brand Consulting und kennt somit genau den Produktmarkt und die Bedürfnisse der Konsument:innen. Was eine Haltungs- von einer Konsummarke unterscheidet, definiert er nach der ursprünglichen Kaufabsicht. Kaufen die Konsumentinnen und Konsumenten die Produkte dieser Marke aufgrund ihrer Haltung, oder wegen des funktionalen und teilweise auch emotionalen Nutzens des Produkts?

Haltung muss das erste Kriterium sein

„Eine reine Haltungsmarke ist Viva con Agua“, berichtet Glück. „Denn eigentlich entstand die Idee darin, gegen Wasserknappheit zu kämpfen und etwas Gutes für die Umwelt zu tun.“ Der Ursprung lag nicht darin, dass sie bereits als Wasserproduzenten tätig waren und dann Viva con Agua gegründet haben. Als Non-Profit-Organisation verfolgen sie nicht mal wirtschaftliche Gewinnziele. „Eine Firma auf Basis einer Haltung zu bauen, ist ein ganz anderer Weg“, sagt er. Ein anderes Beispiel, über das man sich jedoch streiten könne, sei Tesla. „Elon Musks Motivation war, eine Alternative zu Verbrennungsmotoren anzubieten.“ Er war nicht ursprünglich Automobilproduzent und wollte ein zusätzliches Projekt ins Leben rufen. „Elon Musk wollte mit Tesla grundsätzlich etwas ändern. Und das ist es: Haltung muss das erste Kriterium sein, ansonsten ist es auch keine Haltungsmarke.“

Konsummarken überdenken ihren Purpose

„Konsummarken kommen aber natürlich immer mehr in den Bereich Haltung“, sagt Glück. „Frosch würde ich auch immer als Konsummarke betiteln, trotzdem haben sie eine starke Haltungsperzeption.“ Der Anspruch, etwas Gutes für die Umwelt zu tun, wird hier als hohe Priorität gesetzt. Trotzdem ist hier der funktionale Nutzen im Vordergrund. Ein weiteres Beispiel ist Followfood. Das Bio-Lebensmittelunternehmen ist entstanden, weil die Rohstoffkette meistens zu wenig transparent gehalten wird. „Bei solchen Konsummarken mit starker Haltung ist immer ein Appell dabei: Wacht doch mal auf! Wir müssen es besser machen!“ Zuletzt kommt Glück noch auf die Rügenwalder Mühle. „Die kommen aus der klassischen Fleischverarbeitung und sagen schon seit Jahren, dass sich etwas ändern muss.“ Deswegen brachten sie eine weiteres Sortiment mit veganen und vegetarischen Produkten auf den Markt. Und dieses ist inzwischen sogar größer als das mit Fleischprodukten. „Hier merkt man richtig den Wandel der Konsumentenbedürfnisse. Die Leute wollen jetzt wissen, wo die Produkte herkommen, wie sie entstehen und wie die Firmen sich positionieren.“

Wenn die Fassade bröckelt

Black Lives Matter, Fridays for Future: Es gibt viele Bewegungen, bei denen auch Marken sich anschließen und Flagge zeigen. Wie glaubwürdig ist das aber, wenn man sich nur zu bestimmten Anlässen äußert? „Eigentlich hat man mit Haltung so gut wie immer Erfolg, denn ohne geht es heutzutage gar nicht mehr“, sagt Glück. „Es stellt sich aber natürlich die Frage, wie konsequent man seine Haltung ausspielt.“ Als Haltungsmarke habe man die Pflicht, diese Konsequenz immer wieder erneut widerspruchsfrei zu betonen. Das sei dann eine starke Positionierung, die zum Erfolg führt und auch polarisierend wirken kann. Trotzdem müssen aber nicht alle Marken dieser Pflicht zu hundert Prozent nachkommen. „Konsumentinnen und Konsumenten müssen auch ein bisschen nachsichtig sein und nicht alles oder gar nichts fordern. Wir sprechen trotzdem immer noch von Marken, die mit ihren Firmen Umsätze generieren müssen. Nicht jeder kann sich wie bei Viva con Agua frei von den Erträgen sprechen. Es ist doch meistens ein Spagat zwischen Gewinnerzielung im betriebswirtschaftlichen Kontext und der Achtung einer entsprechenden Haltung.“

Manchmal braucht es kein Statement

Im Grunde genommen ist es die Authentizität, die man beachten muss. Konsumenten schätzen es sehr wert, wenn man transparent nach außen kommuniziert, warum man sich wofür entscheidet. Dennoch sollte man sich fragen, ob man sich zu allen Themen äußern muss und welche Gewichtung man als Firma in der Gesellschaft hat. „Wenn führende Firmen sich positionieren, ist das in Ordnung. Wenn aber der zehnte Kekshersteller sagt, ich will auch noch mal mein Fähnchen in den Wind hängen, dann ist das auch eine Überforderung für die Konsumenten. Und das ist auch nicht gut.“ Social Media ist hier Fluch und Segen. Früher musste man Mediaflächen buchen, heute setzt man einfach einen Post ab. Die Recherchezeit sei hierbei jedoch manchmal sehr gering, gibt Glück zu denken. So entstehen Fehler und Widersprüche. „Wenn eine wirkliche Haltungsmarke etwas auszeichnet, dann ist es Konsequenz ohne Widersprüche“, sagt Glück. Das muss auch von der Unternehmensspitze aus durchdacht, gesteuert und konsequent ausgebaut werden. Nur unter Druck Statements zu setzen, ist wenig glaubwürdig – und fällt im schlimmsten Fall negativ auf und führt zu einem Shitstorm.

Im Dialogzeitalter zeigen Marken Transparenz

Grundsätzlich ist die Entwicklung der immer stärker kommenden Haltung positiv, meint Alexander Glück. „Früher arbeitete man nach dem Schema: Hersteller sind Sender, Konsumenten Empfänger. Heute sind wir aber in einem Dialogzeitalter und müssen Transparenz zeigen.“ Hier eine Fassade aufrecht zu erhalten, sei unglaublich schwer bis hin zu gar nicht möglich. Bei Pahnke betreut er auch viele Kunden, die nicht in der kompletten Haltungs- und Botschaftspositionierung sind, sondern aus der Mitte heraus agieren und den Markt trotzdem mitgestalten. Diese Marken ergreifen verschiedene Maßnahmen, um Haltung zu zeigen, zum Beispiel in Richtung Nachhaltigkeit – besonders wichtig in der Lebensmittelbranche. Verpackungsmaterial einsparen, Energie bei der Produktion besonders effizient einsetzen, damit kann man auch werben. Verpackungen sind das Kontaktmedium Nummer eins, um Verbrauchern reichweitenstark zu begegnen. „Und was wichtig ist: Auch wenn man noch nicht ganz oben ist, man ist auf dem Weg, um Gutes zu tun. Und das ist eine gute Richtung.“

von Elin Wagner