Kampf um Talente

Vom Mechatroniker zum Geschäftsführer – solche steile Karrieren sind in der Verpackungsindustrie möglich. Doch die Branche leidet unter Personalengpässen. Unternehmen, die New Work nicht glaubhaft leben, haben keine Chance talentierten Nachwuchs zu gewinnen.

Ein kurzer Blick in das Stellenportal des Packaging Valleys reicht und das Ausmaß des Fachkräftemangels wird überdeutlich. Die im Cluster für Verpackungsmaschinenbau und -automatisierung zusammengeschlossenen Mitgliedsunternehmen suchen allein im Südwesten der Republik massenhaft technische Berufsbilder wie Softwaretechniker, Servicemonteure, Ingenieure und Konstrukteure. Aber auch andere Bereiche wie Personal, Einkauf und IT weisen unzählige offene Stellen aus. Das Thema Fachkräftesicherung hat im Maschinenbau landauf, landab längst oberste Priorität: Im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), mit seinen rund 3.500 Mitgliedsunternehmen die größte Netzwerkorganisation des europäischen Maschinenbaus, ist der Fachverband Nahrungsmittel und Verpackungsmaschinen betroffen: „In unserer Blitzumfrage von Ende Juni wurde das Thema Fachkräftemangel/Demografie unter insgesamt acht großen aktuellen Herausforderungen als größtes Risiko eingestuft und sogar vor Inflation /restriktive Geldpolitik genannt“, erläutert Florian Scholl, Referent Volkswirtschaft und Statistik beim VDMA. „In der Umfrage zeigen sich auch die aktuelle Betroffenheit und – wenig überraschend – die relativ pessimistischen Aussichten auf die kurze Frist.“

Der Fachkräftemangel hat in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht. Von April bis Juni fehlten deutschen Firmen fast zwei Millionen Arbeitskräfte – so viele wie noch nie. „Trotz erheblicher Rezessionsgefahren ist die Zahl der offenen Stellen weiter stark angestiegen“, meldet Alexander Kubis vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Schon von Januar bis März hatten die deutschen Unternehmen so viel Personal gesucht wie in keinem Vergleichszeitraum zuvor. Im 2. Quartal meldeten sie noch mal knapp 200.000 offene Stellen mehr.

Fachkräfte händeringend gesucht

„Der Begriff Fachkräfte ist oft zu undifferenziert für den Personalbedarf in gewerblichen Produktionsbetrieben der Verpackungsindustrie“, moniert Christian Schiffers, Geschäftsführer beim FFI Fachverband Faltschachtel-Industrie: „Natürlich werden ausgebildete Fachkräfte für die Produktionsplanung und -überwachung sowie die Maschineneinstellung und -führung benötigt. Daneben mangelt es aber auch an Helferpersonal an den Maschinen.“ Als Gründe für den Mangel an Arbeitskräften führt er eine „eventuell mangelnde Attraktivität“ der Verpackungsindustrie sowie Schicht- und Wochenendarbeit ins Feld. „Beides wirkt sich nachteilig schon auf die Azubi-Rekrutierung aus. Im Helferbereich könnte eine höhere Entlohnung in anderen Branchen für Ungelernte eine mögliche Ursache sein“, vermutet Schiffers. Dabei verdienen Helfer im Maschinenbau laut einer Analyse des IAB im Durchschnitt knapp 3000 Euro – und damit ein Vielfaches mehr als die 15 Berufsgruppen mit den niedrigsten Entgelten für Fachkräfte. Demnach gibt es Ausbildungsberufe, in denen Fachkräfte ein vergleichsweise geringes Bruttoentgelt erzielen, das sogar unter dem durchschnittlichen Entgelt von Helfertätigkeiten insgesamt liegen kann. So zum Beispiel in der Körperpflege (1676 Euro) oder in der Gastronomie (1849 Euro).

Der demografische Wandel und der Trend zu höheren Bildungsabschlüssen hemmen viele Branchen bei der Anwerbung neuer Mitarbeiter – so auch in der Verpackungsindustrie. Die Unternehmen konkurrieren um eine geringe Zahl an Bewerbern. „Gleichzeitig spielt bei uns die negative Rezeption von Kunststoffen und Verpackungen in Medien und Gesellschaft eine Rolle“, sagt Ingemar Bühler, Hauptgeschäftsführer Plastics Europe Deutschland. „Es ist uns noch nicht ausreichend gelungen, jungen Menschen – Auszubildenden und Studierenden – glaubwürdig zu vermitteln, wie wichtig Kunststoffe auf dem Weg zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Gesellschaft sind. Junge Bewerber schauen oftmals sehr kritisch auf unsere Industrie und halten sie nicht für nachhaltig.“

Nachhaltige Industrie

Hat die Verpackungsindustrie als Arbeitgeber also ein Imageproblem? Dazu Bühler weiter: „Kunststoffverpackungen haftet in der Tat häufig der Ruf an, der Umwelt zu schaden und das Klima zu gefährden.“ Das hänge oft damit zusammen, wie die Konsumenten mit Kunststoffverpackungen nach ihrer Nutzung umgehen. Zudem sei es nicht hilfreich, dass aktuell noch weite Teile der dahinterstehenden Produktionsprozesse auf fossilen Rohstoffen basieren. „Dass die Kunststoffindustrie sich längst in Richtung Klimaneutralität bewegt und hierfür enorme Anstrengungen unternimmt, ist bei vielen Menschen noch nicht angekommen.“

Hans-Georg Rottenegger von der Unternehmensberatung BGH Consulting attestiert der Verpackungsindustrie in diesem Zusammenhang gar ein veritables Kommunikationsproblem. „Viele junge Menschen wissen nicht, dass Verpackungsmaschinen mit jeder Menge Elektronik, Hydraulik und Pneumatik ausgerüstet sind und somit ein spannendes Tätigkeitsfeld bieten. Dazu kommt ein Arbeitsplatz in einer krisensicheren und nachhaltigen Industrie.“ Viele Verpackungen seien biobasiert, schützen ein Vielfaches an Wert und seien zudem rezyklierbar. Das gelte insbesondere für Verpackungen aus Papier, Karton und Pappe.

von Karen Gellrich

RSS
Empfehlung
Twitter
Visit Us
Follow Me
LinkedIn
Xing