„Nachhaltigkeit muss unkompliziert sein“

Der Verpackungsindustrie steht Gras als neuer Papier-Rohstoff zur Verfügung. Die Papierfabrik Meldorf in Schleswig-Holstein ist seit mehr als 60 Jahren in der papiererzeugenden Industrie tätig und ist von der Grasfaser als Material überzeugt. Bereits 2019 erhielt die Firma auf der FACHPACK große Aufmerksamkeit, als sie ihre Grasfaser-Produkte vorstellte. Am ersten Tag der FACHPACK 2021 hielt Heinz Kührt, Papieringenieur, einen Vortrag zum Thema „Neues von der Grasfaser“.

Auf ihren beiden Papiermaschinen können Sie alle gängigen Wellpappenrohpapiere herstellen, in erster Linie Wellen- und Deckenpapiere aus 100 Prozent Recyclingpapier. Aber warum richtet sich Ihr Fokus zunehmend auf die Produkt-Linie „Nature-Liner“ mit einem Grasfaseranteil?

Heinz Kührt: Wir als Papierfabrik Meldorf sehen als kleineres Unternehmen eben nicht in den Standartprodukten unsere Zukunft, sondern in innovativen Produkten, wie in der Grasfaser. Hier gibt uns der Markt mit vielen Gesprächen und Projekten recht. Daneben beschäftigen wir uns nicht nur mit der Grasfaser, sondern auch mit weiteren Möglichkeiten unser Produkt noch nachhaltiger zu gestalten. Dies wären alternative Fasern, die heute schon verfügbar sind. Unsere Ökobilanz zum Vergleich der Grasfaser mit der recycelten Faser hat uns dazu ermutigt.

Wie hoch ist der Anteil von Grasfaser bei Ihnen? Maximal sind derzeit 40 Prozent möglich. Wird es irgendwann auch mehr geben?

Kührt: Unser Anteil an Grasfaser im Papier liegt bei bis zu 30 Prozent. Wir werden von unseren Kunden ständig zu dieser Thematik befragt. Aber: Mit unserem Grasfaseranteil haben wir heute ein funktionales Produkt, welches in der Verarbeitbarkeit ohne Einschränkung zu verwenden ist. Und betrachten wir unsere Ökobilanz, werden mit einem Lkw voll Papier unseres Natur-Liners immerhin das Gewicht eines Kleinwagens, nämlich circa 1,2 Tonnen, weniger CO2 generiert. Nachhaltigkeit muss unkompliziert sein, dann steigt auch die Akzeptanz. Wir verwenden Altpapier mit unserer Grasfaser und keine Frischfaser! Altpapier hat ja schon ein geringeres CO2-Potenzial als die Holzfaser im First Use.

Gras ist günstiger und ein schnellwachsender Rohstoff. Gras aus Ausgleichsflächen, das nicht zum Füttern benutzt und abgemäht wird, kann man aufbereiten und mit Zellstoffen mischen. Woher beziehen Sie Ihren Grasanteil?

Kührt: Diese Frage ist etwas differenzierter zu betrachten. Betrachtet man die drei Faserarten Holzfasern, recycelte Faser, Grasfaser, dann muss man festhalten, dass die Grasfaser günstiger ist als die Holzfaser, die wiederum aber wieder teurer ist als die recycelte Faser. Kombinieren kann man die Grasfaser mit allen Fasertypen. Klar, im Lebensmitteldirektkontakt bietet die Frischfaser Vorteile zur recycelten Faser, zum Beispiel bei fettenden Produkten. Das gilt aber auch in der Kombination mit der Grasfaser. Wir beziehen unser Gras regional, wobei die Verfügbarkeit rund ums Jahr zu gewährleistet ist und dies schließt auch klimatische Gegebenheiten mit ein. Das Gras entstammt von Ausgleichsflächen, von Flächen extensiver Nutzung. Hier sind die Nährwerte für die Futtermittelherstellung zu gering, so dass dieser Rohstoff hier nicht genutzt wird. Auf diesen Flächen fällt das Gras bei ohnehin notwendigen Pflegeschnitten an. Die Flächen müssen in zeitlich engen Räumen gemäht, gepflegt werden. Eine Alternative wäre Untermulchen.

Für welche Verpackungen werden Ihre Papiere verwendet?

Wir sind eine Papierfabrik, die aus dem Bereich der Verpackungspapiere kommt, wir produzieren Wellpappenrohpapiere. Die Produktline des Nature-Liners entstammt diesem Ansatz. In diesem Jahr haben wir die Produktionslinie Nature-Liner, um den „Nature-Board“ in den Flächengewichten von 250 bis 550 g/m² erweitert. Dies ermöglicht uns, den Bereich der Wellpappe und der Faltschachtel in einem einheitlichen Erscheinungsbild zu vereinen. Der neue Grasfaserfaltschachtelkarton erfüllt alle für eine recycelte Faser gewohnten Technologiewerte.