Blockchain verändert Verpackung

Die verkettete Speicherung von Transaktionsdaten eröffnet auch in der Verpackung neue Wege. Prof. Wolfgang Prinz erläutert den Stand der Entwicklung. Er ist stellvertretender Institutsleiter beim Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) in St. Augustin.

Blockchain hat den Sprung in die Öffentlihkeit gemacht als dezentrale Datenbank in der Bitcoin-Technologie. Diese Mutual Distributed Ledger-Technology (MDL) soll sich nun auch in industriellen Anwendungen verbreiten. Was kommt da auf uns zu?

Was Blockchain interessant macht, ist die irreversible Speicherung von Daten. Sie weisen eine hohe Transparenz aus und können nicht mehr verfälscht werden. Zudem zeichnen sie sich durch eine hohe Replikation aus und erlauben es, Werte und Rechte zu übertragen.

Das bedeutet für die Praxis?

Wir sehen großes Potenzial in den industriellen Prozessen, bei denen Daten sicher und nachvollziehbar transferiert und dokumentiert werden müssen. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten für jene Prozesse, die in Netzwerken abgewickelt werden müssen. Der Schwerpunkt liegt auf Netzwerken. Blockchains im firmeneigenen Intranet ergeben keinen Sinn.

Welche Industriebereiche sollen sich denn schon mal auf die Blockchain einrichten?

Zunächst einmal alle Industriebereiche, die in Netzwerken arbeiten oder die in Lieferketten positioniert sind. Aber auch solche Unternehmen, die nachweisbare und nachvollziehbare, irreversible Daten produzieren. Für diese Sektoren ist die Blockchain eine gute Lösung. Ein weiterer Bereich wären Unternehmen, die Transaktionen ausführen, die nachvollziehbar sein sollen. Für die Industrie bedeutet dies: Eine Maschine überweist einen Auftrag an eine andere Maschine. Das kann dann bei einem anderen Hersteller sein. Es werden die Daten überwiesen, mit denen das Fremdunternehmen dann produziert. Damit kann Streitigkeiten wegen falscher Daten vorgebeugt werden, die entweder irrtümlich verwendet oder falsch interpretiert worden sind. Wäre dies in einer Blockchain niedergelegt, wäre ganz eindeutig, um welche Daten es sich handelt.

Welche Infrastruktur benötige ich denn für die Blockchain?

Hier muss zwischen öffentlichen und geschlossenen Blockchains unterschieden werden. Öffentlich können zum Beispiel 3D-Drucker sein, an die sich 3D-Modelle schicken lassen. Für deren Umsetzung wird dann augenblicklich per Kryptowährung bezahlt. Für solche Fälle eignet sich eine Public Blockchain, wie Etherum, auf der ein Smart Contract installiert wird. Der Drucker wird entsprechend angebunden. Fremde können dann Aufträge erteilen. An einer solchen Blockchain müsste die firmeneigene IT nichts betreiben.

Bei geschlossenen Blockchains sieht das anders aus?

In diesen Fällen muss eine Infrastruktur aufgebaut werden, mit der die entsprechenden Aufträge registriert und abgerechnet werden. Jeder Partner benötigt einen Rechner, auf dem er einen Blockchain-Knoten laufen lässt. Das lässt sich mit einem ganz normalen Rechner einrichten, auf dem die Software Hyperledger Fabric oder Ähnliches läuft. Dazu wird genauso viel Rechenkapazität benötigt wie für einen Webserver.

Eine Art Netzwerk-Betriebssystem für dezentrale Kontenbücher

Blockchain ist vergleichbar mit einem klassischen Kontenbuch, das jedoch dezentral verwaltet wird. Es handelt sich um eine Entwicklung von Satoshi Nakomoto, was jedoch nicht sein richtiger Name, sondern ein Pseudonym ist. Mit Blockchain können beliebige Transaktionen administriert werden. Damit lassen sich Produktionsaufträge ebenso verwalten wie Logistikverfahren oder Serialisierungen beziehungsweise Originalitätssicherungen. Abrechnungen und Prüfungen erfolgen in Sekundenschnelle. Entscheidend ist, dass es sich um eine verteilte Datenbank handelt, bei der alle Transaktionen bei allen Nutzern (Parteien) gespeichert werden. Informationen werden in Form von Blocks hinterlegt. Jeder neue Block wird mit dem vorhergehenden verbunden, ist verschlüsselt und enthält eine Prüfsumme (Hashwert). Die Blockchain gilt damit als fälschungssicher. Sie macht Transaktionen und Auftragsvergaben ohne Mittelsmänner möglich. Blockchains werden die Transaktionen in etlichen Branchen grundlegend verändern, so zum Beispiel in der Logistik.

Sind diese Blockchains geeignet, um im Verpackungsbereich Originalitätssicherungen beziehungsweise Zertifikate, Serialisierungen zu hinterlegen, die von Medizinern, Apotheken oder Verbrauchern abgefragt werden können?

Auf jeden Fall. Fraunhofer FIT hat gerade eine Education-Lösung entwickelt. Dabei geht es darum Ausbildungszertifikate inklusive QR-Code fälschungssicher und nachvollziehbar in einer Blockchain zu speichern. Diese Lösung wurde sowohl für die Fraunhofer-Academy als auch für den TÜV-Rheinland realisiert.

Wo bleibt da die Verpackung?

Dieser Weg lässt sich auch für Tracking- und Tracing-Anforderungen nutzen. Sobald ein Produkt fertiggestellt und verpackt worden ist, bekommt es eine eindeutige Nummer, die in der  Blockchain gespeichert wird. Wann immer dieses Produkt in der Lieferkette auftaucht, wird dieser Ort in der Blockchain hinzugefügt. Wird dieses Produkt genutzt oder eingebaut, wird letztlich diese Seriennummer entwertet. Damit lässt sich sicherstellen, dass ein Klonen der Seriennummern Fälschungen rasch identifizierbar macht.

Gibt es aus Ihrer Sicht andere Anwendungsbereiche im Packaging?

Sicherlich. Die Hinterlegung von Druckdaten, die Erteilung von Online-Aufträgen für Druckmaschinen, die Aufträge für die Fertigung von Produkten, das sind nur einige wenige Beispiele. Eine Vielzahl von Möglichkeiten ließe sich realisieren.

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Tracking-Systeme in der Logistik scheinen besonders prädestiniert für die Blockchain-Technology. Startups bieten hier bereits Lösungen an. Wo liegen die Vorteile gegenüber herkömmlichen Tracking-Systemen?

Startups bieten eigene Trackingverfahren, bauen Chips in die Verpackungen ein oder arbeiten mit der Idee, jeder Verpackung eine eigene Identität zu geben. Die wird gegenwärtig eher für Container erprobt, lässt sich aber natürlich auf jede einzelne Verpackung fortschreiben. Das könnte die gesamte Logistik revolutionieren. Nicht nur Logistikunternehmen könnten den Transport von Produkten übernehmen, sondern auch Privatunternehmen, weil mit der Blockchain der Aufenthaltsort und die Auslieferung sicher nachgewiesen werden kann.

Das klingt recht weitreichend.

Nehmen wir ein naheliegendes Beispiel: Kommunen könnten Lieferdienste in die Stadt außerhalb der Stadtgrenzen umorganisieren, damit nicht viele Fahrzeuge mit wenig Ladung in die Stadt hineinmüssen. Die Übergabe und die Abrechnung sind mit der Blockchain bestens organisiert. Damit geht die Logistik in eine Share-Economy über und wird erheblich dynamischer. Das lässt sich über eine App steuern.

Das würde gewohnte Abläufe komplett auf den Kopf stellen.

Ja, wir flexibilisieren damit komplette Lieferketten, weil Entscheidungen flexibel und ad hoc gefällt werden können und die Bezahlung sofort erfolgt.

Prof. Wolfgang Prinz studierte Informatik an der Universität Bonn und promovierte an der Universität Nottingham. Seit 2001 ist er Professor an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) und leitet als stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) den Forschungsbereich Kooperationssysteme. Dort werden Projekte für die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung umgesetzt.

 

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