Tesco zwingt Lieferanten, Umverpackungen aus Plastik wegzulassen

Der Druck auf den Lebensmitteleinzelhandel, Plastik einzusparen wächst. Europaweit überbieten sich die großen Händler mit Strategien und Pilotprojekten für plastikfreien Einkauf und recycelbare Verpackungsalternativen. Der britische Marktführer Tesco zwingt nun seine Lieferanten, Umverpackungen aus Plastik wegzulassen – und mutet damit auch den Kunden ein Umdenken zu.

Europaweit verfolgt der Lebensmitteleinzelhandel beim Kampf gegen Plastikmüll zwei Ansätze: Erstens, die Förderung des plastikfreien Einkaufs, also die Möglichkeit, dass Kunden Waren lose kaufen können. Zweitens die Reduzierung der Kunststoffmenge bei Eigenmarkenprodukten. Der britische Marktführer Tesco geht jetzt noch einen Schritt weiter und hat angekündigt, auch die Industrie in die Verantwortung zu nehmen. Tesco will den Kampf gegen Plastik nach eigener Aussage „auf eine neue Ebene heben“. Ende Januar hat der Händler angekündigt, mit Schrumpffolie umverpackte Großgebinde abzuschaffen. In Großbritannien ist es üblich, Dosensuppen, -bohnen oder -mais in günstigen Vorratspacks zu verkaufen, die dann jeweils noch einmal eingeschweißt sind. Das soll bei Tesco schon ab März Geschichte sein.

Tescos Initiative ist in dreierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum einen, weil sie sich nicht auf Eigenmarken beschränkt, sondern auch große Markenhersteller wie Heinz, Branston und Green Giant zwingt, ihre Verpackungslogistik umzustellen. Bereits im August 2019 hatte der Händler 1.500 Lieferanten mitgeteilt, dass er sich das Recht vorbehält, Produkte auszulisten, die übermäßig oder mit schwer recycelbaren Materialien verpackt sind. Als Branchenprimus kann Tesco sich das erlauben. Sein Marktanteil liegt mit 20,9 Prozent (2018) weit vor dem Zweitplatzierten Sainsbury’s (12,8 Prozent).

„Dreiste“  Verletzung der Kundenbequemlichkeit

Mit der Abschaffung der Multipacks mutet Tesco außerdem seinen Kunden ein Stück Unbequemlichkeit zu. Die Maßnahme ist kein optionales Extra für besonders umweltbewusste Verbraucher, die sich aus eigenen Stücken für unverpacktes Obst entscheiden. Sie betrifft alle Kunden. Tesco riskiert damit, Verbraucher zu verärgern, die an bequeme und günstige Vorratskäufe gewohnt sind. Mehr als 40 Prozent der Tesco-Kunden greifen regelmäßig zu Multipacks. 183.000 Großgebinde gehen bei dem Händler täglich über die Laufbänder, am beliebtesten sind  Baked Beans, Thunfisch und Dosentomaten. Den Kunden hat Tesco versichert, dass es auch künftig Sonderangebote bei Abnahme größerer Mengen geben wird.

Drittens ist die Maßnahme – anders als viele Pilotprojekte zur Plastikvermeidung im Einzelhandel – nicht auf wenige Testmärkte beschränkt, sondern gilt  von Anfang an für alle 2.658 Tesco-Filialen. Da Studien zufolge mehr als ein Viertel aller Briten einen Großteil ihres wöchentlichen Bedarfs bei Tesco  decken, ist das Einsparpotenzial beträchtlich. Nach eigenen Angaben liegt es bei 350 Tonnen Plastik jährlich. Der britische LEH-Primus fühlt sich durch Verbraucherumfragen bestätigt. So sagten in der Global-Data-Studie „How Britain Shops“ im vergangenen  Jahr 60,7 Prozent der Befragten, dass Nachhaltigkeit für sie beim Lebensmitteleinkauf eine wichtige Rolle spiele.

Entfernen, reduzieren, wiederverwenden, recyceln

Tescos Initiative ist Teil der „4-R-Strategie“ („Remove, Reduce, Reuse, Recycle“) und folgt auf  das Versprechen von Sainsbury’s vom  September 2019, die Menge an Plastik in den Läden bis 2025 zu halbieren.  Auch Tesco hat angekündigt,  bis Ende 2020 Plastiktüten für Obst und Gemüse durch Papiertüten zu ersetzen und im April 2019 in zehn Testmärkten begonnen, nicht recycelbare Plastikverpackungen zu sammeln. Bei den Eigenmarken arbeitet Tesco weiter daran, den Anteil von Plastik an den Verpackungen zu reduzieren. So soll es künftig Plastikstrohhalme und Einweggeschirr ebenso wenig geben wie  „Zweitdeckel“ bei Sahne- oder Joghurtbechern oder Folienverpackungen bei Grußkarten und Textilien. Tesco will so bis Ende 2020 eine Milliarde Plastikteile einsparen.

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