Qualitätsmerkmal Verpackung

Wer sich gegen Produktpiraterie und Plagiate schützen will, muss bei der Verpackung anfangen. Vorreiter ist seit Jahren die pharmazeutische Industrie. In ihrem Schlepptau machen derzeit auch Lebensmittel-, Kosmetik- und Tabakproduzenten ihre ersten Erfahrungen mit Track & Trace, Serialisierung und Co.

Es ist einfach zu lukrativ. Nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) kostet ein Kilogramm gefälschtes Viagra auf dem Schwarzmarkt rund 90.000 Euro. Damit liegt der Kilopreis höher als der von Kokain. Nicht umsonst also werden bei gefälschten Arzneimitteln erhebliche kriminelle Energien freigesetzt. Die Fälscher haben es jedoch nicht nur auf Potenzmittel abgesehen, auch Arzneimittel gegen HIV, Krebserkrankungen oder Diabetes stehen ganz hoch im Kurs. Die Folgen können tödlich sein, da die Fälschungen überhaupt keine Wirkung haben oder entweder eine zu niedrige Wirkstoffmenge oder die falschen Wirkstoffe enthalten.

Ein wichtiger Ansatz, wie Kunden vor Fälschungen geschützt werden können, ist die Verpackung. Schon jetzt ist es bei vielen Medikamenten möglich, anhand eines Data-Matrix-Codes den Lieferweg einer Verpackung vom Hersteller bis in die Apotheke zu verfolgen. Ab dem 9. Februar 2019 dürfen Medikamente dann gemäß einer neuen EU-Richtlinie nur noch in den Verkehr gebracht werden, wenn sie ein individuelles Erkennungsmerkmal und einen Manipulationsschutz aufweisen.

Erfolgreiche Sicherungssysteme für den Einsatz auf Verpackungen

Serialisierung
Bei der Serialisierung wird jeder Verpackungseinheit eine welt­weit einzigartige individuelle Nummer zugewiesen. Sie ist sozusagen die Vorstufe zu kompletten Track & Trace-Systemen. Durch die Seriennummer und den Abgleich mit einer Datenbank lässt sich ermitteln, ob es sich bei dem Produkt um ein Original handelt.

Track & Trace
Unter Tracking ist die Bestimmung des aktuellen Aufenthaltsortes eines Gutes zu verstehen. Tracing bedeutet, dass der Verlauf einer Sendung nachverfolgt werden kann – nebst einer Historie aller Schritte, vom Versand bis zur Lieferung an den Händler.

Tamper Evidence
Tamper Evidence bedeutet Manipulationsschutz. Dieser wird in der Regel durch Siegeletiketten erzielt, die nach dem erst­maligen Öffnen eine sichtbare Spur hinterlassen, etwa indem die Verpackung unwiederbringlich zerstört wird oder ein Warnhinweis erscheint.

„Die Pharmabranche hat beim Thema Sicherheit in der Produktion schon immer eine Vorreiterrolle eingenommen. Das gilt ganz besonders auch für die Verpackungen“, resümiert Prof. Eugen Herzau, Professor für Verpackungstechnologie an der Hochschule für Technik, Wirt­schaft und Kultur Leipzig. Nicht umsonst sei die Verpackung Bestandteil der Zulassung des Präparates. Die Pharmabranche ist jedoch nicht der einzige Wirtschaftssektor, der unter Produktpiraterie und Plagiaten zu leiden hat. Fälschungen finden sich in nahezu allen Branchen – und richten dort auch großen wirtschaftlichen Schaden an.

Doch können die Erfahrungen aus der Pharmabranche helfen, die Probleme auch in anderen Bereichen in den Griff zu bekommen? Grundsätzlich ja, meint Christine Lacroix vom Verein Aktion Plagiarius, der jährlich die dreistesten Produktfälschungen „auszeichnet“. Sie verweist darauf, dass es dabei sowohl um den Schutz der Verbraucher vor minderwertigen Plagiaten als auch um Markenschutz und die Abwehr unberechtigter Produkthaftungsklagen geht. „Die Verpackung ist die erste Schnittstelle zum Kunden. Sie muss informieren und Kaufinteresse wecken. Und sie dient immer häufiger auch der Produktkennzeichnung, zum Beispiel mit RFID-Chips, Data-Matrix-, Farbcodes oder Seriennummern.“

Wie das Securpharm-System helfen soll, Medikamentenfälschungen zu bekämpfen

Nach der EU-Richtlinie 2011/62/EU, auch EU-Fälschungsrichtlinie genannt, dürfen Arzneimittel ab dem 9. Februar 2019 nur noch in Verkehr gebracht werden, wenn sie ein individuelles Erkennungsmerkmal und einen Mani­pula­tionsschutz aufweisen. Hierfür wird ein maschinenlesbarer 2D-Code auf der Verpackung angebracht. Er beinhaltet die Pharmazentralnummer (PZN), die für die Abrechnung zwischen Apotheke und gesetzlicher Krankenkasse be­nötigt wird, und zudem eine National Trade Item Number (NTIN) nebst Seriennummer, die jedes Produkt unverwechselbar macht.

Die Identifikation des Produkts erfolgt über ein System des Securpharm e. V. Die Organisation wird getragen von Pharma-, Großhandels- und Apothekerverbänden. Ihre Aufgabe ist der Aufbau des Systems zur Echtheitsprüfung von Arznei­mitteln gemäß den Vorgaben der Fälschungsschutzrichtlinie. Die Nummern sind im Securpharm-­System hinterlegt, sodass in der Apotheke durch einen ein­fachen Scanvorgang überprüft werden kann, ob tatsächlich das Original oder eine Fälschung vorliegt. Neben dem Data-­Matrix-Code braucht jede Verpackung einen Manipulationsschutz. Es muss leicht erkennbar sein, ob eine Verpackung schon geöffnet wurde oder nicht. Gemeinsam sollen beide Mechanismen, die auf allen Stationen der Lieferkette überprüft werden können, den besten Schutz liefern.

In der Tabak- und Lebensmittelbranche sowie in der Kosmetikindustrie werden daher schon ähnliche Systeme genutzt. Die Erfahrungen sind allerdings gemischt. Dafür gebe es mehrere Gründe: Zum einen ist guter Fälschungsschutz teuer und lässt sich nicht für jedes Produkt bezahlen. Und zum anderen stellt die Produktkennzeichnung Hersteller auch technisch und organisatorisch vor eine echte Herausforderung. Am Ende, so Lacroix, käme es darauf an, dass Händler und Verbraucher in die Lage versetzt würden, Sicherheitsmerkmale zu kennen und zu erkennen sowie diese auch zu nutzen und zu überprüfen.

Hundertprozentige Sicherheit gibt es laut Lacroix nicht. Viele gefälschte Produkte werden abseits der offiziellen Lieferkette sowie über Straßenmärkte oder das Internet vertrieben. „Gerade im Internet verwenden die Fälscher häufig Fotos vom Originalprodukt und bieten die Nachahmung zum Schnäppchenpreis an. Leider klicken viele Verbraucher zu schnell und kritiklos auf ‚Kaufen‘“, bemängelt sie. Eine Rückabwicklung des Geschäfts sei dann meist nicht möglich, da sich die Betreiber von Fake-Shops erfolgreich hinter der Anonymität des Internets verstecken.“

RSS
Empfehlung
Twitter
Visit Us
Follow Me
LinkedIn
Xing