Eine Belohnung für die Rückgabe des Kartons

Wenn es nach dem Start-up „wir.kiste.kreis.“ geht, dann landen Versandpakete künftig nicht mehr im Altpapiercontainer, sondern in einer Rücknahmestelle. Das neue System soll für die Händler nachhaltig und wirtschaftlich sein und für die Kundschaft noch eine Belohnung bieten.

„Wir starten das größte Nachhaltigkeitsprojekt in der Geschichte des Onlinehandels“, kündigen die Start-up-Unternehmer Rudolf Siegle (33) und Bastian Gegenheimer (38) aus Pforzheim an. Ihr Unternehmen „wir.kiste.kreis.“, einer der Start-up-Aussteller der FACHPACK, hat das Ziel, durch ein neues Mehrwegsystem für Pakete, zu mehr Nachhaltigkeit zu verhelfen.

Siegle arbeitet seit zehn Jahren in der E-Commerce-Logistik. Seit fünf Jahren ist er bei dm für die Beschaffung von Verpackungsmaterialien zuständig. „Ich weiß, dass man beim Einkauf einiges bewegen kann, um weniger Material einzusetzen“, sagt er. Irgendwann komme man aber an den Punkt, dass Mehrweg die noch nachhaltigere Lösung sei. Das habe er auch zuvor bei seiner Tätigkeit bei Amazon während des Dualen Studiums bemerkt. Es sei ihm daher ein Herzenswunsch, ein neues Konzept auf den Markt zu bringen, dass nachhaltig und wirtschaftlich sei. „Denn wenn die Mehrwegverpackung 2 oder 3 Euro mehr für den Händler kostet, dann funktioniert das nicht. Wenn die Kosten zu hoch sind, brauchen wir gar nicht erst damit anfangen“, so der Jungunternehmer.

Ein Dreh am Glücksrad

Das Konzept des Start-ups in Kürze: Der Onlinekunde erhält die Bestellung in einem wiederverwendbaren Karton. Wird das Paket nicht mehr benötigt, faltet er dieses, lädt sich die wir.kiste.kreis.-APP herunter, scannt den Barcode und bringt es zu einer Rücknahmestelle. Dann folgt eine Belohnung, die durch das Tracking über den Barcode ermöglicht wird: Nach der Rückgabe können die Kunden am Glücksrad drehen – und gleich gewinnen: entweder einen Coupon für den nächsten Einkauf oder einen nachhaltigen Sachpreis. „Wir belohnen jede Rückgabe mit einer Überraschung. Durch das Glücksrad spielen wir Coupons und nachhaltige Sachpreise aus und bieten einen Anreiz für die Rückgabe. Perspektivisch gibt es ein klassisches Pfandmodell mit der Möglichkeit für ökologische und soziale Projekte und Organisationen zu spenden“, erklärt Siegle.

Wer die Bestellung wieder zurücksenden möchte, kann das Versandpaket ohne zusätzlichen Aufwand nutzen. Diese „Kiste“, die es in verschiedenen Größen gibt, enthält eine Banderole mit funktionalen Eigenschaften: Die Banderole verschließt die Kiste, trägt notwendige Informationen wie das Versandlabel und bietet Platz für ein individuelles Branding. Bei einer Retoure kann der Kunde oder die Kundin das Paket mit dem zweiten Selbstklebestreifen an der Banderole verschließen, sodass die Kiste nach der Retourenbearbeitung wiederverwendet werden kann.

Mehrweg darf nicht teurer sein

„Die Idee der Mehrwegverpackung ist clever, aber nicht neu. Sie hat in der Vergangenheit nur mäßig funktioniert, weil die Verbraucher mitmachen und die Versandtaschen tatsächlich zurückschicken müssen“, erklärte Frank Düssler, Public Relation Manager beim Bundesverband E-Commerce (BEVH) im Gespräch mit packaging-360.com. Siegle entgegnet: „Es gibt keine Alternative. Lineare Wirtschaftskonzepte sind nicht zukunftsfähig. Vergangene Pilotprojekte haben gezeigt, dass es gut funktioniert. Wichtig dabei ist, dass die Mehrweglösung preislich mit Einwegverpackungen konkurrieren kann, das Potenzial hat günstiger zu sein und es einen Anreiz zur Rückgabe gibt.“ Der Losgewinn sei ein solcher Anreiz.

Auch die Zahlen sprächen für sich, sagt Siegle: Eine Kiste im Kreislauf eingesetzt verringere bereits beim zweiten Umlauf den Energiebedarf um 25 Prozent. Das Ziel sei, dass ein Paket fünf Kreisläufe schafft. Und die Menschen wollen nachhaltiger konsumieren, das sei belegt. „Würden alle 4,51 Milliarden Sendungen mit unserer Kiste versendet und nur ein zweites Mal wiederverwendet werden, könnte Deutschland jährlich 329.531 Tonnen CO2e (Kohlendioxid-Äquivalenten) einsparen. Das entspricht in etwa der Menge, die 14.200.000 Fichten in einem Jahr umwandeln“, erklären die Start-up-Unternehmer. CO2e ist eine Maßeinheit, die den Effekt aller Treibhausgase aufs Klima vergleichbar machen will.

Start-up-Unternehmer Rudolf Siegle (36 ) und Bastian Gegenheimer

4 Fragen, 4 Antworten an Rudi Siegle

Nach Ihrem Konzept müssen genügend Händler bereit sein, die Kisten anzunehmen?

Rudi Siegle: Ja. Wir planen für einen Start in Deutschland mit mindestens 2.000 Rücknahmestellen und 100.000 Sendungen pro Monat. Das ist das mindeste, um eine bequeme Rückgabe und einen frequenten Kreislauf zu realisieren.

Was ist der Vorteil für die Rücknahmestellen?

Siegle: Durch wir.kiste.kreis. wird jeder Shop automatisch nachhaltiger. Die Rücknahme bietet eine zusätzliche Einnahmequelle und bringt Kundinnen und Kunden in den Shop. Der Platzbedarf ist gering. Gesammelt werden die Kisten in Transportbehältern, die über eine App nachbestellt werden können. Mit dem Einscannen entscheidet die Rücknahmestelle, ob sie die Kiste selbst verwenden, in einen Transportbehälter sammeln oder entsorgen will. Kisten, die in Transportbehältern gesammelt werden, werden in den Kreislauf zurückgeführt und wiederverwendet.

„Kiste“ ist ein Karton? Warum heißt er bei Ihnen Kiste?

Siegle: Bei Gründung unseres Unternehmens wussten wir noch nicht, welches Material unsere Kiste haben soll. Wir haben alle bestehenden und eigene Mehrwegkonzepte analysiert, bewertet und miteinander verglichen. Das Ergebnis war, dass der Karton am nachhaltigsten ist, da wir bereits im zweiten Kreislauf den ökologischen Break-Even-Point erreichen und große Mengen CO2e, Ressourcen und Abfall einsparen können. Eine Änderung unseres Namens aufgrund des eingesetzten Materials stand nie zur Debatte. Zudem ist „Kiste“ der Überbegriff analog zum englischen Wort „Box“. Karton ist lediglich das Material, aus dem die „Kiste“ gefertigt ist.

Ab wann geht los? Und welche Kunden haben Sie bereits?

Siegle: Wir wollen ab April in Deutschland starten und führen bereits Gespräche mit großen nachhaltigen Onlinehändlern. Die Namen werden wir erst zum Start bekanntgeben. Auch in Österreich könnte es bald losgehen. Dort wurden in diesem Jahr bereits wiederverwendbare Verpackungen erfolgreich getestet. Ab dem Frühjahr 2023 soll dann eine wiederverwendbare Verpackung als regulärer Service zur Verfügung stehen.

von Anna Ntemiris