Linkedin-Kampagnen statt Kaltakquisen

Der Bedarf nach nachhaltigen Verpackungsideen stellt die Konsumgüterindustrie vor so große Herausforderungen, dass sie offen für neue Lieferanten ist. Verpackungsanbieter müssen daher mit ihren Lösungen im Netz sichtbar und suchbar werden, sagt Matthias Giebel von Berndt + Partner Consultants – auch wenn das bedeutet, die Neukundengewinnung auf völlig neue Füße zu stellen.

Sie sagen, alte Wege der Neukundengewinnung in der Verpackungsindustrie funktionieren nicht mehr. Was meinen Sie damit?

Matthias Giebel: Das gängige Instrument der Neukundengewinnung in der Verpackungsindustrie war über Jahrzehnte die Kaltakquise: Der Vertrieb hat sich ans Telefon gesetzt und mögliche Kunden angerufen. Man müsse nur in den Supermarkt gehen, hieß es etwa, dann habe man doch eine Liste der Molkereien, und die arbeite man ab. Dieses Vorgehen ist zum Beispiel in der Markenartikel-Industrie schon seit der Zeit vor der Covid-19-Pandemie nicht mehr erwünscht, da man sich ganz gezielt bevorzugte Lieferanten gesucht hat. Die Pandemie hat das noch beschleunigt.

Warum ist diese Form der Akquise nicht mehr erwünscht?

Die Industrie steht durch die relativ neuen Anforderungen der Kreislaufwirtschaft vor großen Herausforderungen. Die Markenartikler brauchen neue Materialien, sie brauchen Rezyklate, und wenn sie die Innenverpackungen einer Süßigkeit von Kunststoff auf Papier umstellen, dann klingt das einfach, ist es aber nicht. Denn es bedeutet, mit einem Material zu arbeiten, das lange Zeit überhaupt nicht im Fokus stand. Das baut großen Druck auf. Die Markenartikler sind alle durch die Anforderungen der Kreislaufwirtschaft blockiert. Sie suchen aktiv sehr spezifische Lösungen, sie haben keine Kapazitäten für Anrufe von Lieferanten, die auf gut Glück agieren.

Sie sind eine Beratungsagentur für die Verpackungsindustrie. Was raten Sie?

Wir brauchen eine Revolution: die digitale und contentbasierte Neukundengewinnung. Verpackungsentwickler rufen auf der Suche nach wirklich neuen Lösungen heute nicht mehr nur ihre Lieferanten an, sondern googeln oder informieren sich bei Linkedin. Dort müssen Verpackungsunternehmen zu finden sein und zeigen, dass sie Lösungen für die Pain Points der Markenartikler haben. Und wir raten auch dazu, Paid Content zu schalten, also die Anzeigen, die ganz oben in den Google-Ergebnislisten stehen. Darauf wird inzwischen aus Zeitgründen durchaus geklickt – und es wird honoriert, dass da jemand bereit ist, Geld auszugeben, um sich professionell zu den relevanten Themen zu präsentieren.

Aber Google-Ergebnisse und Google-Anzeigen müssen irgendwo hinführen. Wie soll das funktionieren ohne Website?

Eine spezifische Website muss die Funktion einer Landingpage übernehmen, zu der die Besucher über Suchmaschinen und Social Media gelangen, und ganz anders aussehen als bisher. Sie muss nach Branchen, Zielgruppen und Problemlösungen sortiert sein statt nach Produkten. Sie sollte eine leicht zugängliche breite Palette an gut aufbereiteten Informationen bieten, zum Beispiel Videos oder Produktteaser. Auf jeder Ebene braucht es Touchpoints, etwa Einladungen zu Videochats oder sogar die Möglichkeit, sich ohne viel Federlesens eine halbe Stunde im Terminkalender der Vertriebsmitarbeiter zu blocken. Ja, die Vertriebsmitarbeiter verlieren dabei die Hoheit über ihre Kalender, sie gewinnen aber Kontakte zu Kunden, die von sich aus kommen, ein konkretes Thema und Problem mitbringen und offen für Lösungen sind.

Das bedeutet eine grundlegende Umstellung der Strukturen und Prozesse.

Ja, das ist so. Es braucht eine zusätzliche Welt für die Neukundenakquise neben dem Key-Account-Management für die Bestandskundenentwicklung. Dieses Beziehungs-Management haben viele Verpackungsunternehmen über die Jahre gepflegt und perfektioniert, es bedeutet aber nicht unbedingt, dass sie ihre Anteile bei den Kunden erhöhen. In der neuen Welt ist nicht mehr Arbeit (also Aufträge) das Ergebnis gut gepflegter Beziehungen, sondern erfolgversprechende Beziehungen sind das Ergebnis inhaltlicher Arbeit im Netz. Das meinen wir mit digital und contentbasiert.

Was muss denn umgestellt werden?

Die neue Welt der Neukundengewinnung verlangt nicht nur umfassenden Online-Content und regelmäßige Kampagnen, sondern ein stärkeres Miteinander zwischen Vertrieb und Kommunikation. Der Vertrieb muss die Whitepaper schreiben, er braucht das ganze relativ neue Know-how zu Umweltstandards und CO2-Fußabdrücken. Produkt-Know-how brauchten Vertriebler schon immer, jetzt geht es darum, das gezielt an den Pain Points der Kunden auszurichten – und Aufgabe der Kommunikationsabteilung ist es vor allem, es darzustellen und für die Suchmaschinen findbar zu machen.

Müssen Unternehmen dafür erst einmal aufstocken?

Das hängt vom Unternehmen ab. Auch die Kaltakquise und die Erstellung von Broschüren sind viel Arbeit. Und die Effekte zumindest der Druckwerke lassen sich kaum messen. Was Sie über Google-Anzeigen und Linkedin erreichen, ist dagegen sofort messbar. Sie können verwerfen, was nicht funktioniert, und ausbauen, was gut läuft. Die Arbeit ist also viel ergebnisorientierter und effektiver, die Absprungrate minimal, weil die Leads, die kommen, bereits angeteasert sind. Viele unterschätzen die Power, die hinter Linkedin steht. Es lassen sich europaweit genau die spezifischen Zielgruppen filtern. Das wird bisher erst von ein paar Prozent der Unternehmen systematisch beackert. Aber ja: Es braucht laufend spannende Inhalte. Wenn zwei Monate lang nicht gepostet wird, kommt niemand von selbst.

Sprechen wir über die Wirkung. Wie erfolgreich ist eine digitale und contentbasierte Neukundengewinnung, wie Sie sie beschreiben?

Zwei Einschränkungen: Die Umstellung auf diese Form der Neukundengewinnung ist noch relativ neu, Berndt + Partner zum Beispiel hat kurz vor der Covid-19-Pandemie den Launch der ersten Content-Plattformen begleitet. Und durch die fehlende Messbarkeit der Kaltakquise sind Heute und Früher schwierig zu vergleichen. Dennoch lässt sich sagen, dass die Zahl qualifizierter Leads, also Neukundenkontakte mit ernsthaftem Interesse, bei den von uns betreuten Kunden deutlich gestiegen ist. Die ersten Leads kamen nach drei bis sechs Monaten, einige sind auch schon zu Kunden geworden. Die Kunden sind erklärtermaßen offen für diese Herangehensweise.

von Stefan Becker

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