Marketing und Recycling ein Widerspruch?

Bis 2022 soll die Recyclingquote bei allen Verpackungsmaterialien fast überall 90 Prozent erreichen, ansonsten drohen schärfere gesetzliche Vorgaben.

Für viele Hersteller kann die Forderung des neuen Verpackungsgesetzes, die Recyclingquote in fast allen Bereichen auf 90 Prozent anzuheben, allen Ankündigungen zum Trotz, zu einer großen Herausforderung werden – nicht zuletzt wegen der Ansprüche der Marketing­abteilungen. „Der Wunsch nach besserem Recycling oder Verpackungsvermeidung beißt sich oft mit dem Wunsch nach Verpackungsdiversität, die für Werbung oder als Antwort auf Kundenbedürfnisse benötigt wird“, meint Götz Erhardt, Geschäftsführer Chemie und Natural Resources beim Beratungsunternehmen Accenture in Kronberg. Für Müsli reicht eigentlich ein durchsichtiger Plastikschlauch. Dennoch investieren viele Markenartikler zusätzlich in einen Karton, damit Verpackungen besser gestapelt und mit bunten Logos oder Coupons bedruckt werden können.

Kunststoffverpackungen sind am problematischsten

Auch die neue, nur 0,15 Liter kleine Getränke­dose von Coca-Cola löste wegen möglicher Ressourcenverschwendung heftige Diskussionen aus. Dabei lassen sich Aluminium oder Weißblech relativ gut wiederverwerten. Im Gegensatz dazu dürften Kunststoffverpackungen ein größeres Problem für die Recyclingquoten werden, zumal wenn sie aus verschiedenen Materialien bestehen, die sich kaum voneinander trennen lassen. Das ist häufig der Fall, um sowohl Stabilität zu gewährleisten als auch das Aroma zu bewahren. Hier Alternativen zu erarbeiten, wird nicht immer einfach, meint Erhardt: „Die Verpackungen haben ja – bei allem Verbesserungspotenzial, das sicher vorhanden ist – eine wichtige Aufgabe zu erfüllen, beispielsweise den Schutz vor Beschädigungen.“ Geht eine Verpackung zu Bruch, muss bei Lebensmitteln oft das Produkt komplett entsorgt werden, was unter dem Aspekt des Ressourceneinsatzes vielleicht noch mehr Verschwendung wäre als etwas zu viel Verpackung.

„Der Wunsch nach besserem Recycling oder Verpackungsvermeidung beißt sich oft mit dem Wunsch nach Verpackungsdiversität, die für Werbung oder als Antwort auf Kundenbedürfnisse benötigt wird.“ 
Götz Erhardt, Geschäftsführer Chemie und Natural Resources beim Beratungsunternehmen Accenture

Vielleicht als Antwort auf das Verpackungsgesetz und die wachsende Zahl der Unverpackt-Läden testet Handelsriese Rewe die Möglichkeit, dass Kunden zumindest frische Produkte wie Käse, Fleisch und Wurst im mitgebrachten Mehrwegbehälter verstauen, statt sie in Kunststoffeinwegschalen packen zu lassen. Götz Erhardt sieht in diesem Konzept eher einen Trend für die Nische. „Die Umerziehung des Kunden hat zwar bei der Plastiktragetasche geklappt, die er jetzt durch eine zu bezahlende Papiertüte oder den mitgebrachten Stoffbeutel ersetzt“, so der Accenture-Experte. „Aber der Nutzung eigener Verpackungen sind Grenzen gesetzt, man denke nur an Spontan-Shopping und den verbreiteten Wunsch, alles richtig portioniert zu bekommen.“

Mit neuen Verpackungskonzepten zu neuen Geschäftsmodellen

Zugleich macht Erhardt Herstellern und Handel aber Mut, mehr um die Ecke zu denken und auch ungewöhnliche Verpackungskonzepte auszuprobieren, die eventuell sogar das Geschäftsmodell auf den Kopf stellen. Bei Erfrischungsgetränken wurde bisher der Materialeinsatz durch dünnwandigere Gefäße aus Glas, Kunststoff, Blech und Aluminium reduziert, bis wieder eine physikalische Untergrenze erreicht war. „Aber was wäre, wenn man nur eine kleine Kartusche mit Basismischung kauft und in einem speziellen Gerät zu Hause so aufsprudelt, dass man die gewohnte Limonadenqualität bekommt?“ Das wäre der Gegentrend zum Kaffeepad: Weniger Verpackung, indem der Inhalt einer Literflasche auf wenige Milliliter komprimiert wird. Es wird sich zeigen, ob diese Konzepte Erfolg haben werden.

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