Wenn der Chef ein Like gibt

Die Arbeitswelt erlebt eine Transformation. Zukunftsforscher Hartwin Maas spricht im Forum TECHBOX der FACHPACK über den Wandel von New Work zur Future Work. Junge Menschen wollen mehr Anerkennung, Flexibilität und Teamarbeit, sagt er im Exklusiv-Interview mit packaging-360.com.

Unterm Sonnenschirm in die Videokonferenz, beim Frühsport ans Diktiergerät und vor dem Einschlafen noch mal ein Blick ins Postfach: Was für den einen wie ein Alptraum klingt, ist für den anderen ein ganz normaler Arbeitstag. Unter New Work, so der Zukunftsforscher Hartwin Maas (Privatfoto) vom Institut für Generationenforschung in Augsburg, haben viele Menschen die unterschiedlichsten Vorstellungen. Allerdings: „Wenn man alles Mögliche in einen Container wirft, landet dort auch Abfall“, sagt der Wirtschaftsingenieur. Er spricht im Forum TECHBOX am zweiten Messetag der FACHPACK über New Work als Kompetenz der Zukunft und Herausforderung von heute.

Die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie haben Debatten um New Work neuen Auftrieb gegeben. Dabei sei das Konzept keineswegs neu, betont Maas. Bereits in den 1970ern hatte der österreichisch-amerikanische Philosoph Frithjof Bergmann das Ende traditioneller Arbeitsverhältnisse diagnostiziert und damit auch die Frage nach der Zukunft der Arbeit gestellt.

Studienergebnisse des Instituts für Generationenforschung

Für die Gegenwart hat das Institut für Generationenforschung in Umfragen folgende Erkenntnisse gewonnen: Homeoffice war ein voller Erfolg. „Es ist gekommen, um zu bleiben“, so Maas. Der Großteil der Beschäftigten war mit seiner Produktivität sehr zufrieden, hat mehr Leistung erbracht als erwartet. Das hätten auch konservative Unternehmen, deren Vorstände zunächst skeptisch waren, inzwischen bestätigt. 50 Prozent der Führungskräfte gaben allerdings an, dass es ihnen besonders schwerfalle, die eigenen Mitarbeiter im Homeoffice zu motivieren. Die räumliche Distanz hatte dazu geführt, dass Aufträge zwar wie gewohnt abgegeben werden, aber das Feedback von den Führungskräften an die Mitarbeitenden ausblieb. „Videoschalte, Telefon oder E-Mail mussten erst als Feedbackmedien entdeckt werden.“

Insbesondere jüngere Personen, ab Jahrgang 1995 halten sich den Umfragen des Instituts zufolge im Schnitt 4 bis 6 Stunden am Tag in sozialen Netzwerken auf, während der Pandemie sogar bis zu 10 Stunden täglich. „Und hier herrscht die Diktatur der Likes. Nicht erfolgreiche Posts bekommen keine Likes und keine Anerkennung. Das gleiche Prinzip gilt auch in der analogen Welt: Junge Menschen fordern ein Feedback, das schnell kommen muss.“ Maas rät Führungskräften daher dazu, stärker als bisher junge Mitarbeiter einzubinden, mit ihnen zu kommunizieren und ihnen ein individuelles Feedback zu geben, das diese auch verstehen und nachvollziehen können. „Das kostet Zeit, ist aber wichtig.“

Ein Jein zu Homeoffice

Die Möglichkeit, Homeoffice zu machen, wollen die meisten jungen Leute haben. „Das heißt aber nicht, dass sie auch tatsächlich lieber zuhause arbeiten. Sie wollen lediglich die Flexibilität haben.“ Denn – auch das sagen die Umfrageergebnisse – ein Großteil (73 Prozent) der unter 30-Jährigen möchte das Berufsleben strikt vom Privaten trennen. Die Experten sprechen von Work-Life-Separation. Außerdem haben insbesondere junge Beschäftigte eine größere Sehnsucht nach einem kollegialen Umfeld. „New Work ist also mehr als die Flexibilisierung des Arbeitsortes und Homeoffice längst kein Allheilmittel.“

Zeitgleich sei New Work eine Utopie, die das Individuum stark fokussiert. Im echten Arbeitsalltag gibt es viele Widersprüche und individuelle Wünsche sind nicht immer im Einklang mit den Unternehmenszielen- und strukturen. Strukturen grenzen Freiheiten ein. Wenn der Kunde einen Auftrag erteilt, muss das Ergebnis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegen, da bestimmt der Kunde die Zeit. „In der Produktion gibt es diese Strukturen. Menschen sehnen sich nach Strukturen. Es ist daher gut, sie zu haben. Sie müssen den Arbeitnehmern aber erklärt werden. Wenn junge Menschen keinen Sinn sehen, außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit zu arbeiten, dann machen sie es nicht.“

Verpackungsbranche auf dem Weg in die Zukunft

„Es gibt keine Blaupause für New Work. Wie New Work ausgestaltet wird, ist sehr stark abhängig von der eigenen Unternehmenskultur, dem Portfolio, der Belegschaft und ihrer Bereitschaft, Dinge stetig zu verändern.“ Der Zukunftsforscher spricht daher von Future Work. „Es ist eine Form der Arbeit, die mit der Zeit geht, Bedürfnisse der Arbeitenden antizipiert, langfristige Bedingungen für kreatives und selbstständiges Handeln schafft.“

„Future Work“ hat auch die nachfolgende Generation im Blick. Die Verpackungsbranche sei ein gutes Beispiel für den Blick in die Zukunft. In zahlreichen Projekten entwickeln Unternehmen nachhaltige Verpackungen und neue Materialien. Auch öffne sich die Branche für Kooperationen etwa mit Forschern und anderen Unternehmen. „Das klassische Silo-Denken funktioniert nicht mehr. Auch nicht innerhalb eines Unternehmens.“

Ein Konstruktionsingenieur könne heutzutage nicht mehr nur fachlich in die Tiefe gehen, sondern müsse in der Breite kommunizieren können. Projektmanagement, Dokumentation und Digitalisierung seien auch von Spezialisten gefordert.

Maas schlägt den Mittelweg zwischen „alter Arbeitsweise“ und New Work vor, einen Kompromiss zwischen Freiheit des Einzelnen und dem Ziel einer Gemeinschaft. Denn auch wenn neue Führungssysteme wie Holokratien (hierarchiefreie Systeme, in der alle Macht haben) in der Start-up-Szene derzeit „in“ seien, so gibt es erprobte Strukturen, die sich bewährt haben „Das Organigramm gab es schon bei den alten Ägyptern und in der Antike. Es ist nicht zwangsläufig schlecht, Strukturen festzulegen.“

Weitere Vorträge über New Work auf der FACHPACK

New Work ist auch das Thema weiterer Experten, die am 28. September im Forum TECHBOX sprechen. So hält Richard Clemens, Geschäftsführer des VDMA Fachverband Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen, einen Vortrag mit dem Titel „Zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Spannungsfeld oder Herausforderung für junge Talente?“ (16–17 Uhr). Um die Vor- und Nachteile von neuen versus alten Wegen bei der Gewinnung und Bindung von Fachkräften und die besondere Rolle von Interim-Management dreht sich der Roundtable von BGH-Consulting (14–15 Uhr). Erfolgreiche Beispiele des Personal-Recruitings stellt das Packaging Valley Germany e.V. vor unter dem Titel „New Work mittendrin! Das Tal der Karrierechancen für Toptalente – Wie die Unternehmen des Packaging Valley schon heute Fachkräfte von morgen gewinnen!“ (10–11 Uhr).

Von Anna Ntemiris