„Eine Art Wikipedia für Foodies“

Verpackungsdesigner Andreas Milk und sein Team haben ein Glossar entwickelt, das neue und nachhaltige Materialien für Verpackungen listet und erklärt: Das „Material Lab“ ist eine kostenfreie Onlineplattform.

Essbare Schutzsprays für Avocados, kunststofffressende Pilze, Flaschen aus Kürbisgewächsen: Die Liste der Materialien und Produkte, die für nachhaltige Verpackungen verwendet werden kann, wird weltweit immer länger. Zahlreiche patentierte Materialerfindungen sind dem Handel und erst recht den Verbrauchern unbekannt. Viele Abkürzungen für Packmittelstoffe sind nur Fachleuten ein Begriff. Wer sich mit Lebensmittelverpackungen, ob Industrie oder Handel, beschäftigt, benötigt zunehmend Orientierung. „Es fehlte bislang eine Art Wikipedia für Foodies“, sagt Andreas Milk, Verpackungsdesigner und Geschäftsführer der Agentur MILK aus Frankfurt. Milk wollte diese Lücke schließen. Er hat mit seinem Team ein Glossar, das „Material Lab“, entwickelt, dass „zukunftsweisende Materialien“ für Primär- und Sekundärverpackungen listet und kurz erklärt. Das Glossar ist eine öffentliche Plattform, die kostenfrei abrufbar ist – daher der Vergleich mit Wikipedia. „So eine Datenbank gab es bisher nicht“, sagt Milk, dessen Agentur zahlreiche Markenartikler in der Lebensmittelbranche als Kunden zählt, wie zum Beispiel Ritter Sport oder Eckes-Granini, und sie in Verpackungsfragen berät und Designs entwickelt.

Ein Anspruch auf Vollständigkeit bestehe für das „Material Lab“ nicht – denn ständig kommen neue Materialien hinzu. Der Onlinenutzer kann verschiedene Filter wie Kategorie oder Lebensmittelarten wählen, um seine Suche zu verfeinern. Auch gibt es den Filter „Status“, der anzeigt, ob sich das Material in der Konzeptphase befindet, ein Prototyp, marktreif oder gar serienreif ist. Einige Auszüge aus dem Glossar: Lactips ist zum Beispiel eine essbare Verpackungsfolie aus Milch und bereits serienreif, Ponto Biodesign ist eine bakterielle Zellulosefolie und hat den Status marktreif, Scoby nennt sich eine Verpackung, die aus gewebtem Bioabfall besteht und marktreif ist.

Neue Materialien bieten Mehrwert

Katharina Hölz, Art Direktorin bei MILK, hat die Materialien und Produkte aus der ganzen Welt gesammelt, bei den Entwicklern nachfragt und sie dokumentiert. Neben dem Produktnamen finden sich auch Angaben zum Produkt, dem Hersteller und der Quelle der Angaben. „Nachhaltigkeit wird auch im Packaging zum Entscheidungskriterium. Rund um den Erdball werden stetig neue Materialien entwickelt. Diese überzeugen nicht nur ökologisch, sondern bieten auch dem Produkt, das sie verpacken, einen Mehrwert. Für uns und unsere Kunden gilt es, in den kommenden Jahren die Verpackung und Vermarktung von Lebensmitteln neo-ökologisch neu zu denken“, so Milk zum Hintergrund der Plattform.

„Fundgrube für Hersteller und Händler“

Seit Dezember 2020 bis dato sind rund 250 Materialien online gestellt. „Das ist eine Fundgrube für alle Hersteller und Händler, die Lebensmittel zukünftig neu verpacken möchten“, sagt Andreas Milk. Es gäbe viele Suchanfragen, nicht nur aus der unmittelbaren Branche, sondern auch beispielsweise von Studierenden oder Druckern. Während der Corona-Pandemie hätten viele Gastronomen auf der Suche nach Take-Away-Verpackungen die Plattform aufgesucht und kontaktiert. Weder für die Nennung des Produkts noch für die Nutzung verlange die Frankfurter Agentur Geld. „Es ist eine Open-Source-Plattform“, betont Milk. In den USA gäbe es vergleichbare Systeme, die aber auf einem Abonnentenmodell basieren. Weil Milk als Designer auch auf Optik setzt, hat er das „Material Lab“ zusätzlich als Booklet herausgegeben, dort findet sich aber nur etwa die Hälfte des eigentlichen Glossars. Das übersichtlich gestaltete Buch mit Produktabbildungen diene als Türöffner für die Onlinedatenbank. Die zweite Ausgabe sei bereits in Planung.

von Anna Ntemiris