„Die Hygienic-Design-Regel: kein rechter Winkel!“

Hygienic Design spielt für Hersteller und Anwender von Verpackungsmaschinen eine immer größere Rolle. Dr. Marc Mauermann vom Dresdner Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung erklärt, worauf es bei der Konstruktion von Maschinen ankommt.

Wo liegen die größten Herausforderungen in der maschinellen Verpackung von Lebensmitteln?
Die größte Herausforderung ist die Komplexität der Produktionsabläufe. Immer mehr Lebensmittel werden in unterschiedlichen Varianten und Zusammensetzungen angeboten. Die Produkte werden indvidueller, die Chargen kleiner. Das betrifft fast alle Bereiche der Lebensmittelproduktion. Dafür benötigen Sie flexible Maschinen. Besonders betroffen von den Hygieneanforderungen sind Bereiche mit Produktkontakt. Die müssen regelmäßig, zum Beispiel beim Chargenwechsel, gereinigt werden. Das muss sicher, reproduzierbar sein und schnell gehen. Hier hat der Maschinenbauer großen Einfluss: Eine Maschine, die den Anforderungen von Hygienic Design entspricht, verträgt keine rechten Winkel und ist leicht zu reinigen. Jeder der mal geputzt hat, weiß das. Maschinenkonstruktion bedeutet immer einen Kompromiss aus Funktionalität, Fertigung, Kosten und Hygienic Design.

Wie stellt sich die Entwicklung dar?
Die Entwicklung war in den letzten zehn Jahren sehr positiv! Von vielen Firmen werden grundlegende Kriterien, wie sie unter anderem die European Hygienic Engineering & Design Group (EHEDG) definiert hat, sehr gut umgesetzt. Einer der wichtigsten Aspekte ist die Zugängigkeit: Alle Bereiche der Maschine müssen leicht zugängig sein, für die automatische und manuelle Reinigung. Die Erfahrung in der manuellen Reinigung zeigt: Je leichter man an kritische Stellen kommt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit der regelmäßigen Reinigung. Bereiche, die durch automatische Prozesse nicht erreicht werden können, werden nicht gereinigt!

Gibt es Branchen, in denen die Ausstattung besser den Prinzipien des Hygienic Design entspricht?
Das ist nicht leicht zu beantworten. Wird irgendwo ein Greenfield Investment getätigt und ein gründliches Risk Assessment vorgenommen, dann können mit Blick auf Hygienic Design die neuesten und besten Sachen angeschafft werden. Im bestehenden Betrieb das Niveau zu heben ist schwieriger, da mehr Kompromisse gemacht werden müssen. Hier sollten die Bereiche sehr gut aufgestellt sein, die mit hochsensiblen Produkten zu tun haben, etwa Babynahrung.

Müssten Maschinen deshalb von Grund auf neu konstruiert werden?
Naja, das sind wirtschaftliche Abwägungen, die zu beachten sind. Eine Neukonstruktion kostet viel Geld. Evolutionäre Weiterentwicklungen, die eine Verbesserung darstellen, sind vom Aufwand für den Entwurf und die Detaillierung her gesehen wirtschaftlicher. Die Entwicklung und das Umsetzen von Hygienic Design bei Maschinenkomponenten geht immer weiter. Wir haben in unseren Versuchsständen im letzten Jahr die Reinigbarkeit von Ventilen, Kameras, Greifelementen, Verschließ- und Füllteilen, Roboter- und Maschinenelementen getestet und konnten das Hygienic Design in vielen Fällen validieren.

Gibt es Unterschiede beim Verarbeiten flüssiger und pulvriger Stoffe?
Das würde ich nicht sagen. In Prozessen, die nass gereinigt werden, liegt ein höheres mikrobielles Risiko vor, im trockenen Bereich fokussiert Hygienic Design auf die Zugänglichkeit für trockene Reinigungsprozesse und Staubkontrolle. Auch hier gelten Regeln, wie keine Spalte oder keine rechten Winkel.

Haben Sie noch ein anderes Beispiel außer dem rechten Winkel?
Wenn Sie eine Rohrleitung haben und dort zum Beispiel einen Sensor einsetzen, dann kann am Ansatz ein Tot­raum entstehen. Wenn das Verhältnis von Länge zu Durchmesser des Totraums (l/d) größer als 1 ist, steigt der Reinigungsaufwand immens an oder der Totraum ist sogar gar nicht zu reinigen.

Welche Aspekte spielen beim Hygienic Design noch eine Rolle?
Auf die leichte Reinigbarkeit von Bodenabläufen und Gullis sollte geachtet werden. Der Boden ist sauber, wenn der Gulli sauber ist. Die Entleerbarkeit von Maschinen und Rohrleitungen muss gewährleistet sein. Wenn Produktreste oder Wasser in der Maschine verbleiben kann das der Nährboden für mikrobielle Kontaminationen sein. Einbauten direkt über offenen Produkten sind kritisch zu betrachten. Die im Produktkontakt eingesetzten Materialien müssen leicht zu reinigen und zu desinfizieren sein. Wir empfehlen bei Edelstahl und Schweißnähten, die hohe Qualität aufweisen müssen, eine Rauigkeit von Ra 0,8 µm.

Dr.-Ing. Marc Mauermann ist am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) stellvertretender Leiter des Institutsteils Verarbeitungstechnik in Dresden.
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