„Man muss Farbe bekennen“

Warum es nicht die eine, nachhaltige Verpackung gibt und die Nutzung von Rezyklat ein Investment in die Zukunft ist, erläutert Dr. Stefan Kunerth, Technical Director für Deutschland, Benelux und Skandinavien bei Coca-Cola. Außerdem zeigt er auf, dass verpackungsreduzierte Lösungen eine Alternative sein können.

Bei Verpackungen scheint es aktuell fast nur ein Thema zu geben: das der Nachhaltigkeit. Ist Verpackung nicht mehr als nur ein Müll-Problem?

Das Thema Verpackung muss gar nicht erst ein Müll-Problem werden. Und zwar dann nicht, wenn ich Verpackungen entsprechend gestalte, also zum Beispiel das Design auf die Recyclingfähigkeit ausrichte. Ein recht einfaches Beispiel ist, dass ich transparentes statt farbiges PET wähle, sodass der transparente Strom an recycletem Material nicht durch farbiges in Mitleidenschaft gezogen wird. Verpackungen haben natürlich nicht nur einen ökologischen Aspekt, sondern viele wichtige Funktionen. Sie haben zunächst einmal die Aufgabe, das Produkt zum Konsumenten zu bringen, einschließlich aller Zwischenstationen. Dabei sind zahlreiche technische, aber auch betriebswirtschaftliche Faktoren zu berücksichtigen. Auch das Thema Marketing spielt eine Rolle. Dass Verpackung ein Erfolgsfaktor ist, zeigt ja nicht zuletzt unsere zur Ikone gewordene Coca-Cola-Glasflasche.

Sie haben jüngst eine 1-Liter-Glasmehrwegflasche eingeführt und planen die Einführung einer 0,4-Liter Glasmehrwegflasche im kommenden Jahr. Sind Mehrweg-Lösungen der Königsweg?

Coca-Cola hat in Deutschland unter den Anbietern von Erfrischungsgetränken den höchsten Mehrweganteil. Wir haben hier zu Lande wieder befüllbare PET-Flaschen eingeführt. Mehrweg ist aber nur ein Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Das Thema „Mehrweg“ ist ja zu einer Art Glaubensfrage geworden. Davon halte ich nicht viel. Es gibt nicht die eine, beste Verpackung für alle Trinkanlässe. Wenn ich im Allgäu auf eine lange Wanderung gehen will, werde ich mir sicher gut überlegen, ob ich die schwere Glasflasche mitnehme – oder nicht doch die leichtere PET-Flasche. Nachhaltigkeit funktioniert auch bei Einweg. Der Begriff Einweg birgt für mich ohnehin einen Widerspruch in sich.

Warum einen Widerspruch?

Die Einwegflasche kann unter gewissen Umständen, wenn sie zum Beispiel aus recyceltem PET besteht und sehr leicht ist, unter Umweltgesichtspunkten nachhaltiger sein als die Mehrwegflasche. So spielen etwa der Transport und die Häufigkeit der Wiederbefüllung eine wichtige Rolle. Das gilt gerade in Deutschland, wo wir durch das Pfand-System hohe Rückgabequoten für PET-Getränkeflaschen haben. Das Pfand-System in Deutschland ist ein großer Erfolg, denn es gibt Flaschen einen Wert. Konsumenten erhalten Anreize, die Flaschen zurückzugeben. Die Infrastruktur in der Industrie und im Handel steht. Da hat Deutschland eine Vorreiterrolle. Rund 98 Prozent der Pfandflaschen kommen in den Kreislauf zurück. The Coca-Cola Company unterstützt deshalb auch die Einführung von Pfandsystemen in anderen Märkten. In Deutschland stehen wir den anderen Märkten dann mit unseren Erfahrungen immer wieder zu Seite.

In einigen Ländern wie den Niederlanden und Norwegen ist Coca-Cola auf dem Weg, alle PET-Flaschen auf 100 Prozent rPET umzustellen. In Schweden ist es schon umgesetzt. Streben Sie das auch in Deutschland an?

Auch in Deutschland arbeiten wir an Projekten, ausgewählte Verpackungen und Marken auf die Verwendung von 100 Prozent rPET umzustellen. Ganz konkret werden wir unser ViO Mineralwasser in 100%-rPET-Flaschen als erstes in den Markt bringen. An einer umfassenderen Umstellung hindert uns noch die Verfügbarkeit des entsprechenden Materials, welches unseren Zulassungskriterien entspricht. Die Größe des deutschen Marktes stellt uns da sicherlich nochmal vor besondere Herausforderungen. Hohe Nachfrage gibt es nicht nur von Getränkeherstellern, sondern auch von anderen Unternehmen aus dem FCMG-Bereich. Somit lässt sich auch nicht vermeiden, dass lebensmitteltaugliches Material immer wieder den Kreislauf verlässt und als rPET in anderen Bereichen eingesetzt wird.

Ist chemisches Recycling möglicherweise ein zukunftsweisender Weg, um die Nachfrage nach recyceltem Kunststoff besser zu decken?

Gemeinsam mit dem Start-Up Ioniqa haben wir im Herbst 2019 eine Musterflasche präsentiert, die Anteile von Plastik aus dem Meer enthält. Mit Hilfe von chemischem Recycling und der damit verbundenden Depolymerisation ist dieses Material wieder „lebensmitteltauglich“ gemacht worden. Das Projekt zeigt,  was mit entsprechender Technologie alles möglich ist. Es gibt verschiedene Ansätze für das chemische Recycling. Unser Bottling-Partner CCEP hat kürzlich in das Recycling-Start-up CuRe Technologies investiert. Also in ein Unternehmen, das in diesem Segment ebenfalls einen innovativen Ansatz verfolgt. Wenn wir als großes Unternehmen Nachfrage generieren, geben wir Innovationen eine Chance. Ob chemisches Recycling eines Tages das mechanische Recycling ersetzen kann, kann ich nicht sagen. Ich glaube aber, dass es eine wertvolle Ergänzung sein kann.

Neu-Plastik ist schon eine Weile günstiger als Rezyklat. Das ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht doch gewiss ein Problem…

Es ist richtig, dass Neu-Plastik günstiger ist als recyceltes PET. Aber da muss man als Unternehmen eben auch einmal Farbe bekennen. Coca-Cola hat die bewusste Entscheidung getroffen, trotz des höheren Preises zum teureren recycelten PET zu greifen.

Worüber denken Sie noch nach, um Nachhaltigkeit zu fördern?

Wir denken in viele Richtungen. Eine davon ist, teilweise auf Verpackungen zu verzichten. Wir haben ja bereits erfolgreich Freestyle-Dispenser in mehreren Märkten im Einsatz, vor allem in den USA, aber auch in Deutschland. Mehr als  500 Automaten zur Selbstbedienung stehen in Deutschland bei Gastronomiepartnern. Verbraucher können sich dort ihre Getränke selbst mischen, aus Coke, Fanta, Sprite oder mezzomix, aber auch Powerade, Kinley und Fuze Tea. Für einige der Automaten führen wir noch in diesem Jahr eine innovative „Touchless“-Funktion ein. Konsumenten können sich über einen QR-Code ganz einfach mit dem Gerät verbinden. Bietet der Partner dann auch wieder befüllbare Becher für seine Konsumenten an – oder gibt diesen die Möglichkeit, eigene Flaschen mitzubringen –  ist das Ganze noch nachhaltiger. Getränke nahezu „unverpackt“ zu verkaufen, ist auch ein Instrument, Nachhaltigkeit zu fördern.

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