Verpackungen aus Meeresalgen

Ein EU-Forschungsprojekt, an dem unter anderem die Uni Hohenheim beteiligt ist, sucht nach neuen, nachhaltigen Lebensmittelzusätzen und Verpackungsmaterialien aus Algen und Seegräsern. Nach Einschätzung der Forscher sind die ersten Ergebnisse durchaus vielversprechend.

Algen dienen der Industrie schon heute als Rohstoffquelle. Das gilt zum Beispiel für Stabilisatoren oder Verdickungs- und Geliermittel wie Agar, Alginat und Carrageen. Forscher loten aber auch das Potenzial von Algen als Kohlenhydratlieferanten für Biokunststoffe aus. So untersucht das von der EU geförderte Forschungsprojekt „Biocarb-4-Food“ nachhaltigere Prozesse für die Gewinnung von Kohlenhydraten aus großen Algenarten sowie aus Seegras. Daraus hergestellte, biologisch abbaubare Kunststoffe könnten durch ihre Eigenschaften sogar dazu beitragen, dass darin verpackte Lebensmittel länger haltbar sind.

„Schon heute erwirtschaftet die Algenindustrie weltweit einen Umsatz von rund 7,4 Milliarden Dollar  ‒ mit steigender Tendenz“, stellt Dr. Nadja Reinhardt vom Forschungszentrum für Bioökonomie der Universität Hohenheim fest. „Denn aufgrund ihrer besonderen physikalisch-chemischen und biologischen Eigenschaften wächst auch das Interesse der Lebensmittel- und Pharmaindustrie an Verbindungen, die aus Algen gewonnen werden.“

Effizientere Extraktionsmethoden finden

Eine Teilaufgabe des Projekts besteht in der Gewinnung neuartiger Extrakte. Wegen der spezifischen Eigenschaften von Algen-Kohlenhydraten (Phycokolloide) sehen die Wissenschaftler das Potenzial, sie als innovative Verpackungsmaterialien einzusetzen. Allerdings sind die derzeitigen Verfahren zur Kohlenhydratgewinnung aus Algen noch sehr ineffizient, auch mit Blick auf den Wasser- und Energieverbrauch. Kernaufgabe der Wissenschaftler im Projekt ist es deshalb, umweltfreundliche und effizientere Extraktionsmethoden zu erforschen und miteinander zu kombinieren.

Neue Kombination von Verfahren

Dabei haben die Forschenden nicht nur die bereits kommerziell genutzten Meeresalgenarten im Blick, sondern auch bislang wenig bis gar nicht verwendete Rohstoffe wie zum Beispiel Seegras. Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend, wie die Uni Hohenheim mitteilt: Versuche mit der Mittelmeer-Rotalge Gelidium sesquipedale zeigen, dass die Agar-Gewinnung wesentlich vereinfacht werden kann, wenn eine Heißwasserbehandlung mit Ultraschall kombiniert wird. So kann die Extraktionszeit im Vergleich zu herkömmlichen Methoden um das Vierfache verkürzt werden.

„Leider konnten wir dies bisher aber nur im Labormaßstab testen,“ bedauert Dr. Lopez-Rubio vom Institut für Agrochemie und Lebensmitteltechnologie (IATA-CSIC) in Valencia, Spanien, und Koordinatorin des Projekts. „Die beteiligten Unternehmen in unserem Konsortium arbeiten an einem Upscaling, damit die in unseren Labors erzielten Ergebnisse auch auf die industrielle Produktion übertragen werden können.“

Längere Haltbarkeit von Lebensmitteln angestrebt

Industriell werden meist hoch gereinigte Agar-Extrakte eingesetzt, was mit einem hohen Verbrauch an Chemikalien verbunden ist. Werden die Reinigungsschritte reduziert, senkt das nicht nur den Chemikalienverbrauch. Weniger gereinigte Agar-Extrakte aus Gelidium sesquipedale verfügen über zusätzliche Funktionen, wie antioxidative und antimikrobielle Eigenschaften: Kunststofffolien, hergestellt aus diesen Extrakten, setzen bioaktive Substanzen frei und können damit zur Lebensmittelkonservierung beitragen, indem sie zum Beispiel das Verderben von Früchten verlangsamen. Darüber hinaus können diese Folien eines der Haupthindernisse für die Verwendung von Agar in der Lebensmittelverpackungsindustrie beheben: Sie sind wesentlich widerstandsfähiger gegenüber Feuchtigkeit als Folien, die mit hoch gereinigtem Agar hergestellt wurden.

Biologisch abbaubare Verpackungen

Eine gute Verwertungsmöglichkeit zeichnet sich auch für die Abfälle des im Mittelmeer heimischen Neptungrases (Posidonia oceanica) ab. Diese Pflanze sammelt sich zum Teil massenweise an den Stränden an. Die Inhaltsstoffe dieses Posidonia-Abfalls besitzen nach Einschätzung der Wissenschaftler jedoch ein großes Potenzial für die Entwicklung von biologisch abbaubaren Verpackungen. Sie sind demnach eine hervorragende Quelle für sogenannte Lignozellulose. Als Additiv führt sie bei der Herstellung von Biokunststoffen auf Stärke-Basis zu einer deutlichen Verbesserung der mechanischen Eigenschaften. Die Posidonia-Zellulose kann aber auch herkömmlichen Kunststoffen zugesetzt werden, um verschiedene wichtige Funktionen von Lebensmittelverpackungen zu verbessern, wie zum Beispiel die Gas- und Wasserdampfbarriere und thermische oder mechanische Eigenschaften.

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